Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
unglücklicherweise hatte Genevieve darauf bestanden, auf die Wachen loszugehen, und sich in ihrer Freizeit selbst zu töten versucht. Sie unverletzt zu bändigen erwies sich als schwierig.
Ihr Widerstand wurde immer rücksichtsloser. Der letzte brillant ausgeführte Versuch hätte ihn ihrer Gesellschaft beinahe beraubt. Doch er konnte es sich nicht leisten, Genevieve zu verlieren. Noch nicht.
Spider wartete vor der schmierigen Wand. Es roch nach Schimmel. Bei den Göttern, wie er den Sumpf verabscheute.
Genevieve bewegte sich leise stöhnend. Ihre Augenlider flatterten, und sie hauchte: » Non .«
Gallisch. Endlich. Sie verfiel in ihre Muttersprache. Also hatte er ihre harte Schale geknackt. Wenig genug, und viel zu spät. Die Hand hatte ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass der Spiegel von seinen Aktivitäten im Moor wusste und einen Agenten in Marsch gesetzt hatte. Allerdings ließ sich die Identität des Agenten nicht feststellen, doch Spider ging davon aus, dass Adrianglia seinen besten Mann schicken würde. Hin und wieder brachte der Spiegel würdige Gegner hervor, und er konnte es sich nicht leisten, die Integrität seines Vorhabens zu gefährden. Das erforderte harte Entscheidungen.
»Ja«, entgegnete er auf Gallisch.
Genevieve rappelte sich hoch. Ihren Hals umgab ein blauschwarzer Ring.
»Der Bluterguss an deinem Hals sieht scheußlich aus«, fuhr er in derselben Sprache fort. »Ich muss zugeben, es war ein eleganter Schachzug, Magie einzusetzen, um dich mit deinem Halsband zu würgen. Sag, hast du die Verformung von Metall gelernt, bevor deine Eltern ins Edge verbannt wurden, oder danach?«
Sie bedachte ihn mit intensivem, konzentriertem Hass.
»Dein Hass macht mich traurig«, sagte er. »Ganz ehrlich. Genau wie ich entstammst du einer der ältesten adligen Familien. Wir sollten wie zivilisierte Menschen miteinander reden, dazu ein guter Rotwein, und hin und wieder eine geistreiche Bemerkung. Stattdessen finden wir uns hier wieder.« Er breitete die Arme aus. »In der Kloake für den Abschaum der Welt, mit dir zu einem gepeinigten Tier degradiert und mit mir als deinem Peiniger.«
Sie antwortete nicht. Er irrte sich. So schnell würde sie nicht zusammenbrechen. Bedauerlich.
»Man braucht annähernd fünf Minuten, um einen Erwachsenen zu strangulieren«, erklärte Spider. »Deshalb ziehen es Angehörige meiner Berufsgruppe vor, der Zielperson das Genick zu brechen. Wir haben häufig nicht viel Zeit. Meine Leute haben dreißig Sekunden benötigt, dir das Halsband abzunehmen. Du warst zu keinem Zeitpunkt in Erstickungsgefahr – aber dennoch in gewisser Weise erfolgreich. Schau, ich habe nicht mehr viel Zeit, ich kann dich ab jetzt nicht mehr sachte würgen und darauf warten, dass du dich fügst. Jetzt muss ich dich zermalmen.«
Keine Reaktion. Als wäre sie eine Schaufensterpuppe.
Er beugte sich zu ihr hinunter. »Um Gottes willen, Genevieve, das ist deine letzte Chance. Der Krieg zwischen Adrianglia und Louisiana ist unvermeidlich. Er wird noch zu meinen Lebzeiten stattfinden, auch wenn du ihn nicht mehr erleben wirst. Das Journal birgt den Schlüssel zum Sieg. Wenn dieser Krieg dank einer Machtdemonstration rasch entschieden wird, könnten auf beiden Seiten Tausende Leben gerettet werden. Deshalb ist die Übersetzung so wichtig für mich. Und ich werde sie bekommen.«
Sie spuckte ihn an. Er wich knapp aus und schüttelte den Kopf. »Ich brauche eine Antwort. Wirst du das Journal übersetzen? Denk gut nach, ehe du antwortest, mit einem falschen Wort unterzeichnest du dein Todesurteil. Denk an deinen Mann. Deine Töchter.«
Ihre gesprungenen Lippen bewegten sich. »Fahr zur Hölle.«
Spider seufzte. Warum enttäuschten ihn bloß immer alle?
»John.«
Die Tür ging auf, und John betrat das Verlies. Groß, hager, bucklig, mit ständig verknitterten Kleidern, trug der Mann einen Argwohn zur Schau, der an einen neurotischen Bussard denken ließ. Spider hatte bereits mit mehreren Magiern gearbeitet, die die Gabe der Wandlung besaßen, und John war weder der Schwierigste noch der Unkomplizierteste unter ihnen. Allerdings war er der Beste in seinem Metier.
John senkte den Kopf. »Ja, Mylord?«
»Wir müssen sie verschmelzen.«
Die Worte trafen Genevieve wie ein Schock. »Ungeheuer!«
Spider packte sie im Nacken, riss sie vom Boden hoch, damit er ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Es wimmelt auf der Welt von Ungeheuern. Ich habe beschlossen, zu ihnen zu gehören, damit meine Landsleute nachts
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