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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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hatte.
    Zu wissen, dass man arm war, war eine Sache. Aber mit diesem Wissen zu leben, es immer und immer wieder unter die Nase gerieben zu bekommen, der Zwang, sich abzustrampeln, mit allen Schlichen zu lügen und zu betrügen, damit man den Kindern warme Wintersachen kaufen oder die Kaution für einen Verwandten hinterlegen konnte, das war etwas ganz anderes. So etwas raubte einem den Lebenswillen.
    Nicht zu vergessen Tobias, der sich als Knochenjob entpuppt hatte.
    Wenn sich ihr jetzt ein Mann näherte, fragte sie sich zuerst, was er wirklich von ihr wollte. War er hinter ihr her? Oder hinter dem Geld ihrer Eltern? So wenig die auch besitzen mochten. Konnte man ihm trauen? In welchem Ausmaß ritt er sich womöglich in die Scheiße, und was mochte es ihre Familie kosten, wenn sie den Schaden anschließend wieder gutmachen musste? Einer trank zu viel, der nächste hatte ein Kind aus erster Ehe, das er jemand anders unterschieben wollte, der dritte vögelte alles, was bei drei nicht auf den Bäumen war … der Rest war zu unbesonnen, zu dumm, zu schnell auf hundertachtzig. Und im Nu hatte sie den Ruf weg, wählerisch zu sein, dabei hielt sie sich selbst überhaupt nicht für wählerisch. Und selbst wenn, was blieb ihr denn anderes übrig?
    Von alledem wusste William nichts. Er hatte nicht die geringste Ahnung von ihr, und ihre Familie war ihm vollkommen schnurz. Sie hatte ihn überrumpelt und dafür eine ehrliche Reaktion geerntet.
    Cerise dachte an seinen Blick und erschauerte.
    Was würde sie tun, wenn er aus der Dusche kam? Bei dem Gedanken stand sie starr vor Schreck. Er musste gut in Form sein, war stark wie ein Ochse – ihren Stechkahn mit einer Hand durch den Sumpf zu schleppen war nicht gerade ein Sonntagsausflug, anschließend hatte er sie und ihr Gepäck aufgehoben und war einfach losgerannt, als wäre das doppelte Gewicht ein Klacks. Ihre Fantasie wollte ihr vorgaukeln, wie William aus der Dusche kam und sich abtrocknete, doch sie knallte rasch die Tür vor dieser Vorstellung zu. Schön, wenn er von ihr hingerissen war. Aber sie hatte, weiß Gott, andere Sorgen.
    Allerdings hätte ein Teil von ihr schon gerne gewusst, ob seine Reaktion vorhin eine einmalige Angelegenheit war oder ob sie ihn dazu bringen konnte, sie noch einmal so anzusehen.
    Cerise nahm zwei Büchsen Rindfleischeintopf vom Regal und kehrte in die Küche zurück. Du bist keine fünfzehn. Also, schlag dir das aus dem Kopf. Schließlich musst du deine Eltern retten .
    Wenn William in ein paar Minuten aus der Dusche käme, sollte sie ihn, unabhängig von seinem Äußeren, besser wie einen potenziellen Gegner behandeln. Das war auf jeden Fall sicherer.
    Lord Bill stellte ein Rätsel dar. Er war angezogen wie ein Blaublütiger und sprach wie ein Blaublütiger, war aber über das Broken ins Moor gekommen. Dabei konnten die Edelleute aus dem Weird das Broken normalerweise gar nicht betreten. Sie waren viel zu geladen mit Magie und mussten daher rechtzeitig umkehren, wenn sie nicht sterben wollten. Was Zauberkräfte anging, war er entweder ein Blindgänger, oder in seinem Stammbaum musste etwas aus dem Ruder gelaufen sein. Und diese feurigen Augen. Und dann das vorhin.
    Er kannte die Hand. Das musste sie ausnutzen. Wenn er nicht spurte, konnte sie ihn jederzeit töten.
    Cerise stellte den Herd mit der schicken Glasplatte an, wartete, bis einer der Brenner rot glühte, setzte einen Topf auf und kippte den Eintopf hinein. Blaublütig oder nicht, früher oder später würde sie Lord Bill schon auf die Schliche kommen. Oder sie würden getrennte Wege gehen, was das Problem von ganz alleine erledigte.
    Die Tür ging auf.
    Neugier, dachte Cerise. Ganz normale, gesunde Neugier. Sie tat so, als hätte sie mit dem Eintopf alle Hände voll zu tun.
    Sie konnte einen Blick riskieren und gleich wieder wegsehen … Oh, Scheiße.
    Sie kapierte sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    Er trug Jeans und ein weißes T-Shirt. Die Klamotten saßen wie angegossen. William war nicht bloß gut gebaut, er war nach der Vorgabe stahlharter Kraft und mörderischer Schnelligkeit aus Stein gemeißelt. An ihm war nichts Nachgiebiges, nichts Schwaches. Er besaß den geschliffenen, schlanken Körper eines Mannes, der es gewohnt war, um sein Leben zu kämpfen, und dem es so gefiel. Wie ein Schwertkämpfer kam er auf sie zu: mit sicheren, sparsamen Bewegungen von natürlicher Anmut und Stärke.
    Ihre Blicke trafen sich. Sie sah den Schatten der Wildheit über seine Augen

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