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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Sie hätte ein Jahrtausend lang in diese Augen blicken können, ohne jemals zu bemerken, wie die Zeit verging.
    »Warum ist die Hand hinter Ihnen her?«
    »Netter Trick, was Sie da mit Ihren Augen anstellen, Lord Bill«, murmelte sie. »Sehr unheimlich.«
    »Beantworten Sie meine Frage.«
    »Die haben meine Eltern.«
    »Weshalb?«
    Sie lächelte ihn an. Er glaubte offenbar ehrlich an einen fairen Handel. »Das ist Frage Nummer zwei. Was machen Sie im Moor?«
    »Ich suche etwas, das meiner Familie gestohlen wurde. Ein Erbstück. Einen Ring, der uns in der Alten Welt von einem anglianischen König geschenkt wurde. Der Dieb ist hier gelandet, und ich muss den Ring wiederbeschaffen.«
    Wenn seine Familie tatsächlich so alt war, hätte er Blitze schleudern müssen. Er schoss mit der Armbrust, war ein meisterlicher Messerkämpfer und konnte seine Gegner auch mit den bloßen Händen aufmischen, aber einen Blitz hatte er, zumindest bisher, nicht geschleudert. Vermutlich weil er es nicht konnte. Aber seinen Ausflug ins Broken hätte er eigentlich auch nicht überleben dürfen. Insgeheim lächelte Cerise. Sie hatte richtig geraten. Da hatte wohl irgendwer in Lord Williams langer Ahnenreihe in trüben Gewässern gefischt – in seinen Adern floss entweder das Blut eines Edgers oder eines Auswanderers aus dem Broken.
    »Warum hat die Hand Ihre Eltern entführt?«, wollte William wissen.
    »Weiß ich nicht.«
    »Sie lügen.«
    Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Unsere Familie liegt in Fehde. Schon seit achtzig Jahren. Eine Generation bringt sich gegenseitig um, die Fehde ebbt ab, bis die Nachkommen heranwachsen, dann geht alles wieder von vorne los. Meine Eltern sind vor ein paar Tagen aufgebrochen, um nach einem Haus am Rand unserer Ländereien zu sehen. Als sie nicht zurückkamen, habe ich sie gesucht. Dabei bin ich auf die Familie gestoßen, mit der wir in Fehde liegen. Die hat mir verraten, dass die Hand meine Eltern entführt hat. Warum, wollten sie nicht sagen.«
    »Haben Sie nichts dagegen unternommen, dass sie auf Ihrem Land waren?«
    Seine Stimme verriet eine gewisse Missbilligung. Sofort kochte Wut in ihr hoch. »Das ist eine neue Frage, William. Aber gut, ich will sie beantworten: Ich hatte drei Reiter, die hatten sechs Gewehre. Ich habe nachgerechnet, und das Ergebnis fiel nicht zu meinem Vorteil aus. Aber zerbrechen Sie sich wegen mir nicht den Kopf. Bevor das hier vorbei ist, werde ich ihre Augen brechen sehen.«
    Sie stand auf, wusch ihre Schüssel ab und verschwand im Schlafzimmer.

 
    7
    William aß seinen Eintopf auf – hier gab es etwas zu essen, und er hatte keine Ahnung, wann er das nächste Mal etwas bekommen würde. Dann spülte er seine Schüssel, tappte auf leisen Wolfssohlen zu ihrem Schlafzimmer und schob mit den Fingerspitzen vorsichtig die Tür auf. Das Mädchen schlief bereits. Sie schlief im Sitzen, die Wand im Rücken, mit gekreuzten Beinen, das Schwert lehnte an ihrer Schulter. Er hatte das Gefühl, dass sie sofort aufwachen und ihn mit ihrer Klinge durchbohren würde, wenn er nur ein Stück näher kam, also blieb er in der Tür stehen.
    Er studierte die dunkle Woge ihrer Haare, die ihr Gesicht einrahmte und sich über ihre Schultern bis fast zum Boden ergoss. Sie war schön wie ein Gemälde. Doch dieses Gemälde lebte und besaß Wärme. Weil er die Finger von ihr lassen musste, hätte ihn ihr Duft wie ein Hündchen zum Winseln bringen können.
    Sie hatte die Wunde an seiner Seite versorgt. Er hatte still dagesessen und sie machen lassen. Er spürte noch ihre Finger auf seiner Haut. Wenn sie gewusst hätte, woran er dachte, wäre sie sicher schreiend davongelaufen. Vielleicht aber auch nicht. Schreien schien nicht so ihr Ding zu sein.
    Ihre Geschichte klang einigermaßen wasserdicht. Edger standen darauf, wegen irgendeinem Blödsinn in Fehde zu liegen, und wenn so eine Fehde erst mal im Gange war, hörte sie nie wieder richtig auf. Und je geringer der Einsatz, desto zäher der Kampf.
    Cerise hatte keinen einzigen Namen genannt, nur ihren eigenen; ob wenigstens der stimmte, war unklar. Sie hatte vor, ihn in Sicktree loszuwerden und anschließend im Sumpf zu verschwinden. Auf festem Boden würde er sie verfolgen können, aber im Sumpf, wo das Wasser jede Fährte sofort verdarb, war er sich da nicht so sicher. Die Frau wusste, was sie tat.
    Bei einem gewöhnlichen Konflikt wäre alles ganz einfach. Dann wäre sie der Feind. Doch wenn sie die Wahrheit sagte, war sie eher das Opfer, eine Zivilistin.

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