Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
damit kann sich heute jeder Schwachkopf als Richter aufspielen.«
Die Blonde murmelte kaum hörbar: »Was du nicht sagst.«
Chuckles hob den Kopf und fauchte. Seine gelben Augen richteten sich auf die Blondine. William lächelte in sich hinein. Er kannte diesen eindringlichen Blick. Hin und wieder setzte er den selber gerne ein. Wenn er den Schädel der großen Katze knacken und untersuchen könnte, würde er auf einen einzigen unmissverständlichen Gedanken stoßen: Wie schnell kannst du rennen ?
»Haben Sie was gesagt?«, wollte Dobe wissen.
»Nein, Euer Ehren.«
»Gut, dann fahren Sie fort.«
Die Lippen der Blondine verzogen sich zu einem vagen Lächeln. »Der infrage stehende Besitz wurde den Sheeriles rechtmäßig von Gustave Mar verkauft. Ich habe hier den Kaufvertrag und die Besitzurkunde für Sene Manor sowie das zu dem Wohnhaus gehörende Grundstück.«
Sie hielt zwei Dokumente hoch. Clyde schlenderte hin und trug sie zu Dobe. Dobe sah sie scheel an und wedelte dann damit vor Kaldar herum. »Die Dinger sehen gut für mich aus. Und da ich seine Tochter da am Tisch sitzen sehe, nehme ich nicht an, dass Gustave hier ist, um sie anzufechten.«
»Wir haben ihn seit dem Morgen nicht mehr gesehen«, sagte Kaldar. »Aber wir werden ihn finden.«
»Das ist ja alles schön und gut, aber bis dahin haben wir diese Dokumente hier. Hast du dazu irgendwas zu sagen?«
Kaldar senkte den Blick.
Schweigen erfasste den Saal.
War’s das?, fragte sich William. Dafür hatten sie sich mit der Hand angelegt und waren durch den Sumpf gehetzt?
»Und?«, drängte Dobe.
Kaldar ließ den dunklen Kopf hängen. Er wühlte in seinem zerzausten Haarschopf.
»Antworte dem Gericht«, dröhnte Clyde.
Kaldar hob den Kopf. »Euer Ehren, Gustave hätte Sene niemals verkauft.«
»Und wieso nicht?«, wollte Dobe wissen.
»Weil das Herzogtum Louisiana diese Parzelle dem Bezirk Angel Roost im Zuge der Exilgesetzgebung vor dreiundzwanzig Jahren abgekauft hat. Anschließend wurde das Grundstück einem Verbannten überschrieben, einem gewissen Vernard Dubois, der später durch die Heirat seiner Tochter Genevieve Dubois mit Gustave Mar in verwandtschaftliche Beziehungen zu den Mars eintrat. Infolgedessen stellen Sene Manor und das Grundstück eine nicht übertragbare Senatsschenkung dar, die weder zur Gänze noch in Teilen verkauft werden, sondern lediglich von den Nachkommen des Verbannten in Besitz genommen werden kann. Da sowohl Vernard als auch seine Frau verstorben sind und ihr Nachkomme Genevieve verschwunden ist, gehört die Parzelle jetzt rechtmäßig ihrer Tochter Cerise Mar. Selbst wenn Gustave diese Dokumente unterschrieben hätte, wäre seine Unterschrift gegenstandslos. Denn nicht er ist der Besitzer der Parzelle, sondern Cerise – und Cerise verkauft nicht.«
Jemand schnappte nach Luft.
Kaldar hielt einen Fächer gefalteter Dokumente hoch. »Die beglaubigte Kopie des Originalkaufvertrags mit Louisiana. Die Kopie der Schenkungsurkunde, die Genevieve als Erbin anführt. Die Kopie von Genevieves und Gustaves Heiratsurkunde. Die Kopie von Cerise Mars Geburtsurkunde.«
Er verbeugte sich geziert und ließ die Papiere in Clydes Hände fallen.
Dobe prüfte die Papiere und gackerte. Es war ein ausgelassenes, abfälliges Gackern, und während er lachte, hüpften seine Augenbrauen auf und ab. »Jetzt bist du am Arsch, Blondie.«
Im Gesicht der Anwältin zuckte es. »Ich würde mir die Papiere gerne mal ansehen.«
»Sehen Sie sich an, was Sie wollen. Ich treffe derweil eine Entscheidung. Ich liebe es, wenn alles so einfach ist, nicht wahr, Clyde?«
»Jawohl, Euer Ehren.«
Cerise erhob sich.
»Die Familie Sheerile muss die Sene-Parzelle binnen eines Tages räumen. Falls sie das bis zum Morgen des zweiten Tages nicht getan hat, kann die Familie zu jedem verfügbaren Mittel greifen, um sich ihr Eigentum zurückzuholen. Und falls die Mars nicht alleine mit den Sheeriles fertig werden, können sie jederzeit die Moormiliz um Unterstützung ersuchen.«
Dobe raffte seine Robe und eilte hinaus.
Sie hatten nun das Recht, die Sheeriles anzugreifen, begriff William. Nun würde es ein Blutbad geben.
»Angeber.« Cerise ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Die Krümmung ihres Rückens verriet ihre Erschöpfung.
»Oh, alle sind auf ihre Kosten gekommen. Jetzt gönn mir doch auch meinen Spaß.« Kaldar klopfte ihr auf die Schulter. »Du siehst nicht so doll aus.«
»Ich bin einfach kaputt«, gab sie zurück. »Schon ’ne Weile her, dass
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