Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
vor den Richter. »Fall Nummer 1252. Mar gegen Sheerile.«
Richter Dobe langte unter seinen Tisch, brachte einen kleinen Metallkübel zum Vorschein und hämmerte darauf herum. »Na dann«, sagte er und schob den Kübel an seinen Platz zurück.
William fragte sich, ob Kaldar recht hatte und er hier womöglich doch im Zirkus war.
»Die Verteidiger sollen sich erheben«, blaffte Clyde.
Darauf standen die blonde Frau und Kaldar auf.
Der Richter wölbte seine gewaltigen Brauen. »Kaldar. Sprichst du heute für den Kläger?«
»Jawohl, Euer Ehren.«
»Also gut. Scheiße noch mal«, sagte Dobe. »Ich schätze, du kennst das Gesetz. Schließlich hast du ihm eins übergebraten, sein Haus angezündet und seine Tochter geschwängert.«
Auf Kaldars Gesicht erschien ein breites Grinsen. »Danke, Euer Ehren.«
Die Blondine räusperte sich. »Bei allem schuldigen Respekt, Euer Ehren, dieser Mann ist nicht qualifiziert, hier als Verteidiger aufzutreten. Er ist ein verurteilter Verbrecher.«
Dobes Blick heftete sich an die blonde Frau. »Ich kenne Sie nicht. Clyde, kennst du diese Frau?«
»Nein, Richter.«
»Da haben wir’s. Wir kennen Sie nicht.«
»Ich vertrete die Familie Sheerile.« Die blonde Anwältin trat vor und präsentierte ein Pergament. »Ich bin praktizierende Juristin in Neu Avignon. Hier meine Zulassung.«
»Neu Avignon liegt im Weird«, sagte Dobe.
Die Blondine lächelte. »Ich habe mich für diesen Fall in die Gesetze des Edge vertieft, Richter.«
»Was ist an den hiesigen Talenten auszusetzen, dass Lagar Sheerile ins Weird gehen muss, um sich einen Rechtsbeistand zu suchen?« Dobe blinzelte in Richtung der leeren Stuhlreihe. »Und wo steckt Lagar überhaupt? Und der Rest seiner Mischpoke?«
»Er verzichtet auf seine Anwesenheit«, antwortete die Blondine. »Das Bezirksgesetzbuch räumt ihm dieses Recht unter Paragraf 7, Absatz 3 ein.«
»Ich kenne das Gesetzbuch«, teilte Dobe ihr mit. In seinen Augen erschien ein gefährliches Funkeln. »Schließlich habe ich die Hälfte davon selbst geschrieben. Lagar ist sich also zu fein für meinen Gerichtssaal. Schön, schön. Kaldar, diese Juristin da sagt, du bist nicht qualifiziert, weil du ein verurteilter Verbrecher bist. Hast du dazu irgendwas zu sagen?«
»Verurteilt im Weird und im Broken«, antwortete Kaldar. »Im Edge wurde nur ein Bußgeld verhängt. Abgesehen davon steht in demselben Paragraf, dass jeder Edger sich in eigener Sache verteidigen kann. Da es in dieser Angelegenheit um Gemeindeeigentum im Besitz der Familie Mar geht und ich ein Mitglied dieser Familie bin, mache ich hiermit geltend, in eigener Sache zu sprechen und mich demzufolge selbst zu verteidigen.«
»Das genügt«, meinte Dobe. »Weiter.«
Kaldar räusperte sich. »Die Familie Mar besitzt eine zwei Morgen große Parzelle namens Sene, bestehend aus dem Grundstück und Sene Manor.«
Kaldar reichte Clyde die Karten, der sie an Dobe weiterreichte. Dobe blinzelte sie eine Weile an und wedelte wieder mit der Hand. »Weiter!«
»Am siebten Mai brachen Cerise Mar, Erian Mar und Mikita Mar zu dem zuvor genannten Haus auf und trafen auf dem Grundstück Lagar Sheerile, Peva Sheerile, Arig Sheerile und mehrere Männer in ihren Diensten an. Cerise forderte sie höflich und ohne Androhung von Gewalt auf, ihre Ärsche von unserem Land zu schaffen, was sie jedoch verweigerten.«
Dobe musterte Cerise. »Und Sie haben Ihnen das warum durchgehen lassen?«
Cerise erhob sich. »Weil wir eine friedfertige Familie sind, die ihre Angelegenheiten in die Hände der Gerichtsbarkeit legt.«
Die Zuschauer brachen in schallendes Gelächter aus. Dobe grinste. »Und weiter?«
»Die hatten Gewehre, wir hatten Reiter«, antwortete Cerise.
Dobes silbern bestäubte Augenbrauen legten eine Art Tänzchen aufs Parkett. »Zur Kenntnis genommen. Und wieso sehen Sie dann aus wie etwas, das sich ein Evaurg für magere Tage aufgespart hat?«
»Die Zeiten sind hart im Sumpf, Euer Ehren.«
»Zur Kenntnis genommen. Pflanzen Sie Ihren Hintern hin.«
Cerise setzte sich.
Dobe sah Kaldar an. »Und was willst du heute vom Gericht?«
»Wir wollen die Sheeriles von unserem Besitz runterhaben.«
»Schön.« Er sah die Blondine an. »Sie sind dran. Damit’s hier fair zugeht, werd ich Ihnen mal ein bisschen Beine machen. Ich will eine Verhandlung, keine Volksreden. Und kommen Sie mir nicht mit Präzedenzfällen, argumentieren Sie mit dem Gesetz. Ich gebe nämlich einen feuchten Kehricht auf Präzedenzfälle –
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