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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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einer knappen Verbeugung einen Platz an. »Bitte.«
    William setzte sich. Auf der anderen Seite des Gerichtssaals stand ein identischer Tisch. Die Seite für die Beschuldigten, vermutete er. Vor den beiden Tischen erhoben sich auf einer erhöhten Plattform Tisch und Stuhl des Richters. Zwei kleine Rednerpulte, eines für den Kläger, eines für den Verteidiger, standen dem Richter gegenüber. Ein durchaus bekanntes Arrangement. Seit er vor dem Kriegsgericht gestanden hatte, war er mit der Aufteilung von Gerichtssälen vertraut.
    Sein Gedächtnis präsentierte ihm einen anderen Gerichtssaal, eine weit größere, sterile Kammer, die er durch die Gitterstäbe seines Käfigs betrachtete. Vor dem Kriegsgericht sperrte man ihn weg wie ein Tier. Selbst sein Verteidiger achtete darauf, außerhalb seiner Reichweite zu bleiben. William erinnerte sich, dass er damals stinksauer darüber war. Im Nachhinein mochte es allerdings zu seinem Besten gewesen sein. Er war seinerzeit dermaßen verbittert und schmerzerfüllt gewesen, dass er anderen wahllos Schaden zufügte.
    Er bemerkte, wie Cerise ihn ansah, und kehrte in die Gegenwart zurück.
    Eine grauhaarige Frau, so verschrumpelt, dass sie an eine vertrocknete Aprikose erinnerte, glitt auf den Stuhl links von William und lächelte ihn an. Ihre kleinen, schwarzen Augen saßen wie zwei glänzende Kohlestückchen in ihrem verhutzelten Gesicht. Kaum eins dreißig groß, ging sie mindestens auf die hundert zu – manche Edger lebten ebenso lange wie die Leute im Weird.
    Richard beugte sich zwei Zentimeter vor. »Großmutter Az, das ist William, ein Freund von Cerise.«
    William neigte den Kopf. Alten Leuten musste man mit Respekt begegnen. »Es ist mir eine Ehre, Mylady.«
    Großmutter Az hob ihre winzige Hand und fuhr ihm durchs Haar. Sofort durchzuckte ihn ein Funken Magie. Er wich zurück. »Was für ein höfliches Jüngelchen Sie sind«, murmelte die Alte leise und tätschelte seinen Arm. »Sie dürfen jederzeit neben mir sitzen.«
    Sie hatte ihn drangekriegt. William war alarmiert. Er öffnete den Mund.
    Cerise drehte sich auf ihrem Stuhl um. »Hi, Großmama.«
    »Da bist du ja, Süße.« Großmutter Az tätschelte jetzt Cerises Hand. »Dein Freund ist ein sehr netter Junge.«
    Cerise lächelte. »Da bin ich mir nicht so sicher …« Sie sah sich um. »Der halbe Bezirk ist hier, um uns verlieren zu sehen.«
    »Ich habe William gerade erzählt, dass Gerichtsverhandlungen unsere einzige Unterhaltung sind«, sagte Richard.
    »So schlecht sind die gar nicht«, meinte Großmutter Az. »Da sollten Sie erst die Beerdigungen sehen. Lauter Friedhofsgemüse, das heilfroh ist, selbst noch nicht tot zu sein, und sich an dem armen Verblichenen weidet. Wenn ich mal tot bin, will ich verbrannt werden.«
    Cerise verdrehte die Augen. »Jetzt geht das wieder los.«
    »Warum verbrannt?«, fragte William.
    »Damit es ein großes Freudenfeuer gibt und alle sich volllaufen lassen«, antwortete die alte Frau. »An einem großen Feuer kann man schlecht Trübsal blasen.«
    Eine große Blondine betrat den Raum, ihre gelbe Schärpe wies sie als Verteidigerin aus. Hinter ihr kamen zwei Männer mit Gerichtsakten. Die Frau war schlank und langbeinig, hatte einen Schwanenhals und hübsche Knöchel. William gönnte sich eine Minute und beobachtete, wie sie den Mittelgang herabkam. Sie wirkte nervös. Trotzdem, tolle Beine.
    Hm, und sie roch nach Mimosen. Kostspieliger Duft. Aber Cerise roch besser – wenn sie mal sauber war.
    »Wie’s aussieht, haben sich die Sheeriles eine Anwältin aus dem Weird besorgt«, sagte Richard. »Die fahren schwere Geschütze auf.«
    »Und wo, zum Henker, steckt unser Anwalt?« Cerise verzog das Gesicht.
    »Ich habe ihm die Zeit gesagt«, gab Richard zurück. »Zweimal.«
    Da ging eine kleine Seitentür auf, und ein riesiger, kahlköpfiger Mann schob sich in den Gerichtssaal, pflanzte sich rechts neben den Richtertisch, verschränkte die Arme und ließ die wie gemeißelten Oberarmmuskeln anschwellen. Seine Miene verkündete laut und deutlich: Legt euch nicht mit mir an! Fehlte bloß noch eine Riesentätowierung auf seiner Brust, die dazu aufforderte, ihm nicht zu nahe zu kommen.
    Ein Leibwächter. William nahm Maß. Groß. Wahrscheinlich sehr kräftig, allerdings nicht jung, fast schon in den besten Jahren. Typen wie den musste man sich vom Hals halten. Mit einem Volltreffer brach er einem sämtliche Knochen. William nahm die Beine in Augenschein. Wenn er ihn fertigmachen müsste,

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