Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Verhöhnung der Bestien ein Band weißer Magie über ihre Finger tanzen.
Die Bluthunde liefen ins Wasser. Sie paddelten wie Hunde, doch ihre Köpfe blieben dabei unter Wasser. Mussten die nicht mal Luft holen?, wunderte sich Rose.
Mach, dass es klappt. Bitte, mach, dass es klappt.
Bitte .
Der erste Bluthund erschauerte mitten im See, schaffte noch fünf Meter und ging dann unter. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Dann versanken die nächsten beiden. Nummer vier hielt durch und schwamm weiter genau auf sie zu. Einer von vieren. Das ging besser, als sie gedacht hatte.
Der Überlebende packte den Holzgriff und kroch träge daran hoch. Als sein Kopf über dem Rand des Anlegers auftauchte, trennte Rose ihn mit einem scharf umrissenen weißen Blitz vom Rumpf.
»Nicht so viel«, rief Declan ihr zu. »Nimm ein bisschen Kraft raus. Wir haben noch einiges vor uns. Wieso bist du so wütend?«
Nun stürzten sich auch die übrigen Bluthunde ins Wasser.
»Rose?«
Sie bemerkte den beharrlichen Ton. Er würde nicht nachlassen. »Du hast eben gesagt, dass die einzigen Frauen, denen du deine Gunst schenkst, entweder Schlampen oder Nutten sind und dass es dir so lieber ist. Ich frage mich gerade, zu welcher Kategorie ich gehöre. Ich wäre nämlich nur ungern der Anlass für ein aufreibendes Hin und Her.«
Seine lange Klinge durchschnitt die Luft und schlug einen vorwitzigen Bluthund mitten entzwei. Mit einem Fußtritt beförderte er die Überreste ins Wasser.
»Zu keiner von beiden.«
Sie sagte nichts.
Declan straffte die Schultern und beäugte die herannahenden Bluthunde. »Als ich noch klein war, habe ich ein irisches Spiel mit dem Titel Aesus Zorn gesehen. Das ist so was wie die Kinofilme im Broken. Es ging darin um Aesu, den Anführer eines kleinen Stammes, der es mit einem Riesenreich aufnimmt und wider Erwarten gewinnt. An eine Szene erinnere ich mich noch sehr lebhaft: Aesu in seiner gewaltigen stachelbewehrten Rüstung stand eine Schlacht bevor, aus der er unmöglich als Sieger hervorgehen konnte. Er stand in seinem Zelt, liebkoste das Gesicht seiner Frau und sagte zu ihr: ›Du bist das Maß meines Zorns.‹ Damals war ich erst zwölf Jahre alt und fand, dass das ein bemerkenswert dummer Satz war.«
In diesem Moment erreichte der dritte Bluthund den Anleger. Ein hässliches Haupt schoss aus dem Wasser, und Rose spaltete den dunklen Schädel mit ihrem Blitz.
»Mit den Jahren habe ich verstanden, was diese Szene bedeutet, wirklich nachempfinden kann ich es aber erst jetzt.« Declan enthauptete den nächsten Bluthund mit zwei präzise geführten Schwerthieben. »Ich würde dir das nie sagen, wenn du nicht darauf bestanden hättest, mit mir auf diesen Anleger zu kommen, denn das bedeutet, dass du genauso empfindest. Bisher ging es um Ehre, um Pflichterfüllung und um meine Abneigung gegen Casshorn. Jetzt geht es um dich.«
»Um mich?« Sie versuchte sich auf den nächsten Pulk Bluthunde im Wasser zu konzentrieren.
»Ich würde alles geben, um dich in Sicherheit zu wissen. Und dazu muss ich Casshorn töten. Das ist ein ganz einfacher Tauschhandel. Casshorn muss sterben, damit du weiterleben kannst. Zwei Seiten derselben Medaille. Ich liebe dich, und du bist das Maß meines Zorns.«
»Was hast du gesagt?« Ihr Blitz kam zu ungestüm und verfehlte seinen Bluthund.
Er sprang ein und versenkte einen konzentrierten weißen Blitz in die drei sich im Wasser windenden Leiber. »Dass ich dich liebe, Rose. Und pass mit deinen Blitzen auf!«
Rose schwankte. Aber sie biss die Zähne zusammen und behauptete die Stellung, auch wenn sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Allmählich verebbte die Magie in ihr. Sie musste sich gewaltig anstrengen, um noch etwas zutage zu fördern. Schon zehrte sie von den Reserven.
»Geht es dir gut?«, hörte sie Declans Stimme.
»Super«, antwortete sie.
Im schlickigen Seewasser rings um den Anleger trieben düstere Körper, ihr silbriges Blut schwappte auf der Wasseroberfläche wie eine Ölpest. Auch in den Gummirillen unter ihren Füßen stand Silberschmand, auf dem sie bereits einmal ausgerutscht war und sich gerade noch gefangen hatte.
Immer noch kamen Bluthunde. Zwei, drei auf einmal, der Bruchteil der Meute, dem der Strom nichts ausmachte und der nun durch eine dunkle Flut aus Kadavern schwamm und mit entblößten Zähnen und brennenden Augen den Anleger erklomm. Neben ihr schwang Declan stumm und mechanisch sein Schwert. Wie eine Maschine.
Der nächste
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