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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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meisten wissen tatsächlich nicht, wohin. Und was auf der Straße aus ihnen wird, ist furchtbar, die Drogen, die Gewalt, manche prostituieren sich sogar. Erst heute habe ich zwei Jungen aufgegriffen, denen ich versprechen musste, dass sie niemand anfassen würde, sonst wären sie nicht mit mir gekommen, obwohl sie sich vor Hunger kaum auf den Beinen halten konnten. Was stimmt nicht mehr mit unserer Welt, frage ich Sie? Kinder, die sogar einer milden Gabe misstrauen. Ich meine, stellen Sie sich das nur mal vor, ja? Die Kindheit müsste eine glückliche Zeit sein. Auf diese Weise bekommen sie pro Tag wenigstens zwei anständige Mahlzeiten.«
    Vor ihnen öffnete sich die Doppeltür, und Ed Yonker betrat die Vorhalle. Er sah genauso aus wie auf seiner Fotografie: sehr gepflegt, groß, mit klaren, blauen Augen und einem gut geölten Lächeln. Kaldar konnte ihn auf der Stelle nicht leiden.
    »Was ist hier los, Paul?«
    »Immunisierung«, teilte Audrey ihm stolz mit und marschierte weiter.
    »Was?«
    Kaldar seufzte.
    »Sie meint Emanzipation«, warf Paul hilfsbereit ein.
    »Verstehe. Und wer soll emanzipiert werden?«
    Paul setzte zu einer ausführlichen Erläuterung an und verzichtete nicht einmal darauf, wild zu gestikulieren. Kaldar studierte derweil Ed Yonker, der sich offensichtlich alle Mühe gab, ihn zu studieren. Sein Blick wanderte von Kaldars Schuhen über den teuren Anzug und die Rolex am Handgelenk zu der Dreihundert-Dollar-Krawatte und schließlich zu seinen Augen.
    Paul kam allmählich zum Ende.
    »Sie müssen meine Frau entschuldigen«, sagte Kaldar. »Sie hat eine Schwäche für zu kurz gekommene Kinder und lässt sich leicht hinreißen. Wir sind gleich wieder weg.«
    »Kein Problem. Überhaupt kein Problem.« Ed Yonker streckte seine Hand aus. »Edward Yonker. Aber hier nennen mich alle Ed junior. Wir legen keinen großen Wert auf Formalitäten.«
    Kaldar schüttelte seine Hand. »Jonathan Berman. Wie ich schon sagte, Mr Yonker, wir sind gleich wieder weg.«
    »Bitte, nennen Sie mich Ed, das genügt.« Alle drei sahen Audreys in einem hautengen Rock steckenden Hinterteil nach. Yonker hob ein wenig die Brauen und betrachtete Audrey abschätzig wie ein Stück Fleisch beim Metzger, worauf Kaldar den machtvollen Drang verspürte, ihm aufs Maul zu hauen.
    »Wenn Ihre Frau sich davon überzeugen möchte, dass die Jungen hier nicht schlecht behandelt werden, will ich ihr nicht im Wege stehen. Es kommt in unseren Tagen nur sehr selten vor, dass jemand sich für Gottes benachteiligte Kinder interessiert.«
    »Vielen Dank für Ihr Verständnis«, sagte Kaldar.
    »Kommen Sie, ich führe Sie herum.« Mit aufrechtem Gang schritt Ed neben ihm einher. Keineswegs herrisch, doch durchaus selbstsicher. Sie gingen durch eine weitere Doppeltür, durchquerten einen Korridor und betraten einen kleinen Schlafsaal.
    Vor ihnen rief Audrey: »Macht langsam, ich will nicht, dass einer von euch hinfällt.«
    »Verzeihen Sie die Frage, aber kommt sie aus dem Süden?«, fragte Ed. »Womöglich aus Georgia?«
    »Florida«, erwiderte Kaldar aus Bosheit.
    »Oh, und was führt Sie in unser sonniges San Diego?«
    »Geschäfte. Immobilien.«
    »Davon gibt es hier jede Menge.« Ed ließ ein herzliches Lachen hören.
    »Allerdings.«
    Audrey inspizierte den Schlafsaal, ließ sich von den Jungen alles zeigen.
    »Wie ich sehe, legt Ihre Frau sehr großen Wert auf gute Werke.«
    »Sie ist überaus großzügig«, nickte Kaldar. »Zum Glück bin ich nicht vom Bankrott bedroht.«
    Ed gluckste. In einem Zeichentrickfilm wären in seinen Augen Dollarzeichen erschienen.
    Audrey beendete ihren Rundgang und kehrte zu ihnen zurück. Ihre Augen glänzten, ihr Gesicht war leicht gerötet; es reichte, um in einem Mann jedes nur erdenkliche Interesse zu wecken. Sie hielt Jack fest und zauste sein Haar. »Hast du schon mal so etwas Hinreißendes gesehen? Ich würde ihn am liebsten mitnehmen.«
    »Geht’s dir jetzt besser, Süße?«
    Audrey ließ Jack los, beugte sich vor, damit Kaldar sie küssen konnte, aber vorsichtig, um ihren Lippenstift nicht zu verschmieren. Ihre Lippen berührten sich kaum, doch augenblicklich war er froh über den maßgeschneiderten Anzug, schließlich bekamen die meisten Männer von einem beiläufigen Kuss ihrer Gattin keinen Ständer.
    »Ja, danke, Liebling.«
    »Livie, das ist Ed Yonker. Er ist hier der Chef.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Prediger.«
    Audrey strahlte. Kaldar war auf ihr Lächeln vorbereitet, trotzdem

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