Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
als fünfzig Riesen dafür bekommen. Ich nehme an, sein Abnehmer hat ihn hereingelegt?«
Kaldar griff in seine Tasche und entnahm ihr ein Ding aus hellem bronzefarbenem Material. Ein aus mehreren Kreisbändern bestehendes Gefäß am Ende eines dünnen Stängels, der sich zu einer an Baumwurzeln erinnernden Basis weitete. Sie hatte bereits die abgefahrensten Apparate aus dem Weird gesehen, und dieses Ding fügte sich bestens ein: schön, mit einem Sinn für Details, den man eigentlich nur bei teuren Schmuckstücken erwartete. Man hätte es leicht an eine Kunstgalerie im Broken verkaufen können. Die es dann, ohne zu wissen, worum es sich handelte, versteigern würde.
Kaldar drückte den Stängel. Magie lag wispernd in der Luft. Die Metallstreifen des Stängels hoben sich und offenbarten ein dutzendfach schattiertes, filigranes Getriebe. Die Kreisbänder hoben sich ebenfalls und begannen, sich langsam zu drehen. Über ihnen schloss sich ein fahler Lichtkranz. Kaldar beugte sich vor und sagte in scharfem Ton: »Adriana. Der Brunnen.«
Der Lichtkranz wurde zu einer geisterhaften dreidimensionalen Darstellung eines gepflasterten Platzes mit einer Art Ruine im Zentrum, die mal ein Brunnen gewesen sein mochte, nun aber nur mehr ein Haufen geborstener Marmor war. Fleischfarbene Überreste sprenkelten die Szenerie. Alex’ Werk. Er musste teleportiert sein, und irgendwer hatte sich wohl eine halbe Sekunde zu lang an seine Fersen geheftet.
Die Hand hatte ihr Ziel nicht erreicht, was hieß, dass ihre Leute nun hinter ihrem Vater und Alex her waren. Und hinter ihr. Sofort setzte ihr Herz aus.
»Ist mein Vater tot?«, fragte Audrey. Ihre Stimme klang tonlos. Sie hätte gerne Kummer oder Furcht empfunden. Wenigstens irgendetwas. Doch sie fühlte gar nichts. Eine bessere Tochter hätte sich jetzt sicher gefragt, ob sie ihre Verwandtschaft lieber nicht im Stich gelassen hätte, aber so eine Tochter war sie nicht. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, Dad .
»Weiß ich nicht«, antwortete Kaldar. »Falls ja, hat er noch lange genug gelebt, um ihren Bruder in der Entzugsanstalt abzuliefern und die Rechnung zu begleichen, was bedeutet, er hat einen anderen Käufer gefunden.«
»Ich habe keine Ahnung, wer das sein sollte.« Audrey zuckte die Achseln. »Ab Jacksonville war ich raus aus der Nummer.«
»Er hat sich nicht bei Ihnen gemeldet?« Kaldar fasste sie genau ins Auge. »Haben Sie für Ihre Bemühungen keine Belohnung verdient?«
»Ha! Meine Belohnung war, zukünftig in Ruhe gelassen zu werden, um mein schönes Leben zu führen, das Sie soeben ruiniert haben.«
»Oh, nein, Schätzchen.« Kaldar schüttelte den Kopf. »Ihr Leben haben Sie selbst ruiniert, als Sie diesen Auftrag annahmen. Jeder im Edge weiß, dass er sich auf keinen Fall mit der Hand einlassen darf. Das war ein Einbruch mit hohem Einsatz und bescheidenem Ertrag. Da kann man einfacher zu Geld kommen. Oder sind Sie gestern erst vom Baum gefallen?«
Was glaubt der eigentlich, wer er ist ? »Ich bin nicht Ihr Schätzchen. Und es ging um Familienangelegenheiten.«
»Wenn die Familie von einem verlangt, sich wie ein Idiot zu benehmen, bringt man sie besser davon ab. So schwer ist das nicht.«
»Sie kennen mich nicht.« Audrey verschränkte die Arme. »Und meinen Vater kennen Sie auch nicht. Schlagen Sie also nicht hier auf, um mir zu erklären, wie ich mein Leben führen soll. Man bringt Seamus Callahan von gar nichts ab. Man kann höchstens mit ihm handeln.«
Er lehnte sich zurück. »Dann sind Sie beide also handelseinig geworden. Er hat 40 000 Dollar bekommen. Was ist für Sie dabei herausgesprungen?«
»Dass ich meine Familie nie wiedersehen muss.«
Kaldar zog die Stirn kraus. »Wie war das?«
»Ende der Fahnenstange. Friedenspfeife. Ich will nichts mehr mit ihnen und ihren bescheuerten Plänen zu tun haben. Ich habe keine Eltern und meine Eltern keine Tochter mehr. Das war meine Bedingung.«
Kaldar zuckte ein Stück zurück. Sie konnte die Zahnräder hinter seiner hübschen Larve förmlich rattern hören.
»Ich habe Ihren Bruder getroffen. Wenn einer in die Wüste geschickt werden sollte, dann er.«
»So läuft das in unserer Familie aber nicht. Er ist der Erstgeborene, der Stolz und der Augenstern, der den Familiennamen weitergeben soll. Ich bin bloß seine kleine Schwester.« Aber das verbitterte sie nicht. Kein bisschen. »Aber egal, mein Leben geht sie nichts an. Hatten Sie noch Fragen wegen des Diebstahls? Wenn nicht, gehen Sie
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