Land der Sehnsucht (German Edition)
gefahren und irgendwo an einer Engstelle hängengeblieben wären. Er trank seinen Kaffee leer und stellte fest, wie schnell sich die Einstellung zu manchen Dingen änderte, wenn man sie aus einem etwas anderen Blickwinkel sah.
Véronique stand vom Tisch auf. „Merci beaucoup, Kathryn, Monsieur Jennings. Das Essen war köstlich, und die Zeit in Ihrem Haus war herrlich.”
Kathryn begann den Tisch abzuräumen. „Uns war es auch eine sehr große Freude, Véronique, das kann ich Ihnen versichern.“
„Brennan, wenn Sie irgendwann eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen, wenn Sie wieder hier oben in der Gegend sind – Larson sah Véronique an und schloss sie in seine Einladung mit ein –, sind Sie uns jederzeit herzlich willkommen.“
Zu Jacks Überraschung bot Véronique nicht an, den Tisch mit abzuräumen, sondern ging in das Zimmer, in dem sie mit den Kindern geschlafen hatte. Er warf einen schnellen Blick auf Kathryn, um zu sehen, ob sie Véroniques Verhalten als Beleidigung auffasste, entdeckte aber nichts davon in ihrer Miene. Er bemühte sich, seine Verlegenheit zu verbergen, und half, das Geschirr zusammenzustellen und es zur Spüle zu tragen.
Kathryn winkte abwehrend. „Oh, Mr Brennan, das ist doch nicht nötig.“
„Das macht mir nichts aus.“ Er warf einen Blick zur Kinderzimmertür und sah, dass Véronique sie hinter sich geschlossen hatte. Er nahm die schmutzigen Tassen. „Es ist so nett, dass wir uns hier wie zu Hause fühlen durften.“
Kathryn sah ihn über die Schulter hinweg an. „Wir haben hier oben nicht oft Besuch, Mr Brennan. Und manchmal vermisse ich die Gesellschaft einer Frau sehr.“
„Wenn ich nicht genug Selbstvertrauen hätte, wäre ich deshalb jetzt beleidigt.“ Larsons leises Lachen verriet seine Belustigung.
Kathryns Hände unterbrachen das Geschirrspülen. „Als wir uns gestern Abend über Matthew und Annabelle und ihre Familie unterhalten haben, hat das so viele Erinnerungen geweckt.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Ich vermisse Annabelle und die liebe, kleine Sadie sehr. Ich bin froh, dass Sie sie auf Ihrem Weg nach Willow Springs besuchen konnten, Mr Brennan.“
„Das bin ich auch.“ Jack stellte die Tassen in den Spüleimer und fragte sich, was um Himmels willen Véronique so lange im Zimmer nebenan machte. „Wie ich schon gestern Abend sagte, als Annabelle mir ihre Geschichte erzählte, war das ein ziemlicher Schock für mich. Und als ich dann das über Sadie erfuhr …“
Larson nickte. Seine Miene spiegelte den gleichen Schmerz wider, den Jack empfunden hatte, als er davon hörte. „Wir bekamen vor nicht allzu langer Zeit einen Brief von Matthew und Annabelle.“ Larson setzte Katie zu ihrem älteren Bruder und lenkte sie mit einer Rassel ab. „Matthew hat geschrieben, dass Sadie jetzt mehr oder weniger die Pflege seines Vaters übernommen hat. Sie geht mit Mr Taylor auf der Ranch spazieren und liest ihm jeden Abend vor. Matthew sagte, sie liebt besonders das Johannesevangelium.“
Kathryn trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab. „Was mich auch gerührt hat, war, als er beschrieb, wie er Sadie und seinen Vater eines Nachmittags auf der Veranda fand. Er hatte gehört, wie Sadie Mr Taylor eine Geschichte aus ihrer Vergangenheit erzählte. Eine Geschichte, die Sadie fast niemandem sonst anvertrauen würde. Matthew wusste, dass sie ihrem Vater schon früher diese Geschichte erzählt hatte, aber wegen seiner Krankheit erinnert sich Mr Taylor nicht mehr daran, was am Tag zuvor war. Manchmal weiß er nicht einmal mehr, was vor wenigen Minuten war.“ Ihre Augen wurden feucht. „Matthew schrieb, er habe im Türrahmen gestanden und zugesehen, wie sein Vater mit Sadie weinte, als hätte er die Geschichte noch nie zuvor gehört. Und in der nächsten Minute fragte er, ob sie wieder zusammen seine Lieblingskekse backen könnten.“
Larson trat neben seine Frau. „Wir sind dankbar, dass es Sadie so gut geht und dass sie einen gewissen Frieden findet. Sie verdient es nach allem, was sie in ihrem jungen Leben schon durchgemacht hat, glücklich zu sein.“
Kathryn berührte die Hand ihres Mannes, die auf ihrer Taille lag, und sah zu ihm hinauf. „Gottes Heilung wird kommen. Davon bin ich fest überzeugt. Es dauert nur seine Zeit.“
Das Knarren einer Tür erregte ihre Aufmerksamkeit.
Jack drehte sich um und sah Véronique mit einer Tasche in der Hand im Raum stehen. Er erkannte, dass es die Tasche war, die sie gestern Morgen noch einmal aus ihrem
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