Land der Sehnsucht (German Edition)
seufzte leise. „Dann hatte meine Mutter also doch recht …“
„Womit hatte sie recht?“
„In den letzten Jahren hat meine Mutter mir oft gesagt, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem ich dankbar wäre, dass ich so jung aussehe. Ich glaubte ihr nicht. Ich wollte immer wie eine Frau und nicht wie ein kleines Mädchen aussehen.“
Jack wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. „Wenn ich so kühn sein darf, Madam … Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, dass Sie wie ein kleines Mädchen aussehen.“
„Merci beaucoup … Jack“, flüsterte sie.
Er verstand zwar nicht warum, aber irgendwie raubte ihm diese Frau den Atem. Und gleichzeitig gab sie ihm das Gefühl, als wäre er endlich wieder nach Hause gekommen, nachdem er so viele Jahre herumgezogen war.
Kapitel 17
Véronique streckte sich und schob sich in dem frisch bezogenen Hotelbett in eine sitzende Stellung hoch. Die Sonne schien durch die staubigen, verschmierten Fenster, während sie sich mit den Händen die Haare zurückstrich und sich vorbeugte, um auf ihre Uhr auf dem Nachttisch zu schauen. Halb neun. Sie warf die Decke zurück. Sie hatte nicht vorgehabt, so lange zu schlafen.
Gedanken an die Fahrt nach Jenny’s Draw gestern und an Monsieur Brennan, Jack – sie lächelte bei der Erinnerung – hatten sie bis in die frühen Morgenstunden vom Schlafen abgehalten, obwohl sie von der Fahrt über die holprigen Straßen völlig erschöpft und wund gewesen war.
Als sie gestern Abend in die Stadt zurückkamen, hatte Jack sie vor dem Hotel abgesetzt, bevor er zum Mietstall weitergefahren war, um die Pferde unterzustellen. Während sie ihm nachgeschaute hatte, war ihr bewusst geworden, dass sie keine Möglichkeit hatte, Kontakt zu ihm aufzunehmen, falls sie etwas von ihm brauchte. Es sei denn, er wohnte immer noch in diesem Hotel. Das war möglich, obwohl sie ihn nie auf den Gängen gesehen hatte. Diese Frage ließe sich mit einer unauffälligen Erkundigung bei Lilly klären. Aber er hatte auch nicht gesagt, wann ihre nächste Fahrt geplant war. Auf diese Frage wollte sie das nächste Mal, wenn sie ihn sah, unbedingt eine Antwort bekommen.
Heute warteten mehrere Aufgaben auf sie, deshalb packte sie ihre persönlichen Sachen zusammen und begab sich ins Badezimmer auf dem Flur. Der wichtigste Punkt auf ihrer Liste war es, Monsieur Sampson das Geld für den Wagen zu zahlen. Obwohl sie mehrmals mit ihm zu tun gehabt hatte, war sie ihm immer noch die Bezahlung für den Wagen schuldig. Er hatte das Geld aber auch noch nicht von ihr verlangt. Dieses Versäumnis war ihr gestern Nachmittag eingefallen, als Jack ihr erzählt hatte, dass Monsieur Sampson ihm einen neuen Wagen baute. Diese Nachricht war nicht wirklich überraschend gewesen. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass er einen eigenen Wagen haben wollte.
Aber so wie er es gesagt hatte, war sie an seine anfänglichen Vorbehalte hinsichtlich einer geschäftlichen Partnerschaft mit ihr erinnert worden, und daran, dass die jetzige Lösung nur von kurzer Dauer war. Wenigstens in seinen Augen.
Während sie sich das Gesicht wusch, ging ihr in blassen Farben die Fahrt nach Jenny’s Draw durch den Kopf. Eine Szene aber stach aus allen anderen heraus.
Noch nie war ein Mann so kühn zu ihrer Verteidigung eingetreten. Jack konnte Monsieur Scoggins’ vulgären Vorschlag nicht verstanden haben. Aber irgendwie hatte er gewusst, was los war, und seine Reaktion war schnell und unerbittlich gewesen. Die Aufregung, als sie Jacks Gewehr in den Händen gehalten hatte, war ihr ebenfalls noch sehr lebhaft in Erinnerung.
Schmunzelnd griff sie nach dem Handtuch und erinnerte sich an den Ausdruck in Jacks Gesicht, als er sie mit dem Gewehr im Anschlag gesehen hatte. Der arme Mann war völlig verblüfft gewesen. Aber nicht verblüffter als sie selbst. Bevor sie in dieses Land kam, hätte sie so etwas nie gewagt. Sie hätte ein solches Handeln für eine Dame als unpassend erachtet. Aber jetzt …
Jetzt wollte sie nicht nur die Waffe wieder in den Händen halten, sondern hatte auch den Ehrgeiz, schießen zu lernen!
Sie fuhr sich mit einer Bürste durch die Haare. In den Monaten, seit sie Paris verlassen hatte, hatte sich vieles verändert. Sie hatte sich verändert.
Sie schob sich einen Kamm nach dem anderen in die Haare und steckte sie oben an ihrem Kopf fest, bis ihre Locken richtig saßen. Sie machte eine Pause und schloss die Augen.
Im Geiste sah sie sich wieder im großen Foyer des Hauses der
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