Land der wilden Sehnsucht
lassen.“
„Keine falsche Dramatik, Mandy“, warnte Sienna sie und stand auf. „Ich habe einfach eine andere Konstitution. Ich gehe zum Essen hinunter und lege mich anschließend hin.“
„Mach mir doch nichts vor“, spottete Amanda. „Du denkst an Blaine, nicht wahr? Er ist wirklich ein toller Kerl!“
„Mit einem Schwarm heiratswilliger Verehrerinnen im Schlepptau. Wieso auch nicht … ein Mann wie er?“
„Vielleicht möchtest du dich anschließen“, stichelte Amanda weiter.
Sienna war schon auf dem Weg zur Tür. „Ich halte nichts von kurzen Abenteuern … das weißt du.“
„Ja, das weiß ich. Wie selbstgerecht du doch bist! Du verlierst nie die Haltung, aber ein solcher Mann ist selbst dir noch nicht begegnet.“
„Du bist geschmacklos, Mandy“, verwahrte sich Sienna. „Wir sind gekommen, um Mark zu begraben. Denkst du überhaupt nicht daran? Das ist eine ernste und wichtige Angelegenheit.“
„Natürlich“, gab Amanda notgedrungen zu. „Aber mein Erbe, auf das ich als Marks Witwe Anspruch habe, ist ungleich wichtiger.“ Sie warf sich in die Kissen zurück und verschränkte die Arme über der Brust. „Wie viel werde ich wohl bekommen? Was meinst du?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Sie sollten lieber nicht knauserig sein“, fuhr Amanda fort. „Die Familie ist steinreich. Wenn ich mit der Summe nicht zufrieden bin, werde ich eiskalt mehr verlangen.“
Sienna drehte sich entsetzt um. „Ich würde dir nicht raten, irgendetwas von Blaine zu fordern, Mandy. Das wäre ein riesiger Fehler. Hast du noch nicht gemerkt, wie dominant er ist?“
Amanda sah weiter an die Decke und lächelte. „Ich mag es, wenn er innerlich so richtig kocht. Mark hat ihn immer als skrupellos bezeichnet … aber genug davon. Was mir jetzt wirklich schmecken würde, wäre ein Hamburger mit Pommes frites, aber ohne Ketchup, und dazu ein oder zwei Gläser Weißwein. Das müsste sich sogar hier auftreiben lassen.“
„Du bist nicht gerade wählerisch“, bemerkte Sienna.
„Wählerisch oder nicht … das will ich jetzt haben. Ich glaube übrigens, dass sie wegen Marcia gelogen haben. Sie wollte mich nicht begrüßen.“
Sienna antwortete nicht und schloss hinter sich die Tür. Wahrscheinlich hatte Amanda in diesem Punkt recht.
7. KAPITEL
Der Tag der Beerdigung
Seit Sienna in Katajangga war, konnte sie nicht mehr ausschlafen. Das Morgenlicht weckte sie ebenso wie der Gesang der Vögel, den sie in solcher Vielfalt und Lautstärke noch nie vernommen hatte.
Auch heute herrschte wieder herrliches Wetter. Die ersten Sonnenstrahlen spielten bereits auf den dunklen Holzdielen. Der Himmel verweigerte Mark seine Tränen.
Sienna drehte sich auf den Rücken und lauschte dem Vogelkonzert, das jetzt fortissimo erklang. Ab und zu mischte sich ein lautes Gackern – anders konnte man es nicht nennen – in die süßen Melodien. Die Morgenmusik des Outback! Sienna würde sich lange daran erinnern.
Sie stand auf und zog ihren zartrosa Morgenmantel an, ohne den Gürtel zu schließen. Merkwürdigerweise ließ sich Amanda, die sonst so reizbar war, durch das frühe Gezwitscher nicht stören. Sie schlief weiter und verpasste dadurch die Gelegenheit, eine Szene zu machen, und Sienna konnte nur hoffen, dass der Tag ohne Zwischenfall enden würde.
Sienna löste den Zopf, den sie nachts zu tragen pflegte, öffnete die Glastür und trat auf die Galerie hinaus, die sich das ganze erste Stockwerk entlangzog. In einigen Abständen hatte man Korbstühle und kleine Tische aufgestellt. Niedrige Palmen in asiatischen Keramiktöpfen spendeten mäßigen Schatten.
So früh am Morgen war es noch angenehm kühl, aber Sienna wusste, wie schnell es unerträglich heiß werden würde. Die exotischen Düfte, die aus dem Garten herüberzogen, wirkten betäubend und reizten zugleich die Sinne. Sie waren schwerer und süßer als die in Kanada, enthielten aber auch würzige, fast herbe Nuancen, die an wilde Kräuter und Zitrusfrüchte erinnerten.
Der rückwärtige Garten war eine wahre Oase in dieser trockenen Landschaft. Ein breiter Kiesweg wand sich zwischen Bäumen und blühenden Büschen hindurch, vorbei an Rabatten und Blumenbeeten mit weißen und violetten Lilien, die in voller Blüte standen. Sienna kannte die Sorten nicht und hielt sie für endemisch, da sie hier so prächtig gediehen.
Sie ging zum Holzgeländer, umfasste es mit beiden Händen und ließ die liebliche Morgenstimmung auf sich wirken. Sie dachte an den Tag, der vor
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