Land der wilden Sehnsucht
hat Blaine versprochen.“
„Ich rate ihnen, nett zu mir zu sein“, drohte Amanda.
„Alle wollen nett zu dir sein“, versicherte Sienna. „Sei du es auch zu ihnen.“
Es gab keine eigentliche Eingangshalle. Man kam direkt in das große Wohnzimmer, dessen Ausmaße verblüfften. Es war so breit und tief wie das Haus selbst. Von der rechten und linken hinteren Ecke führte jeweils eine Treppe auf die Galerie im ersten Stock, die mit Gemälden geschmückt und durch ein dekoratives Holzgeländer gesichert war. Sienna nahm alles in sich auf: den aus Natursteinen gemauerten Kamin, der bis zur Decke reichte, die breiten Holzdielen, die im Lauf der Zeit stark nachgedunkelt waren, die verschiedenen bequem aussehenden Sitzgruppen und den abgeteilten Essbereich, in dem ein mächtiger Mahagonitisch stand, an dem zwanzig Personen bequem Platz gefunden hätten.
Teppiche mit asiatischen Motiven in gedämpften Farben verliehen dem Raum exotisches Flair. Sienna kannte sich in der fernöstlichen Kunst aus, denn in British Columbia lebten viele Asiaten, und ihre Mutter besaß eine beachtliche Sammlung von chinesischem Porzellan und Jadeschnitzereien.
In gewisser Weise passte die Inneneinrichtung eher in ein Blockhaus, woran auch die antiken Kristalllüster an der Decke nichts änderten. Sie gehörten zu den schönsten und kostbarsten, die Sienna jemals gesehen hatte, und hatten bestimmt eine besondere Vergangenheit.
Amanda sah sich ebenfalls neugierig um. „Wo sind alle?“, fragte sie mit einem Blick auf die Galerie, die in einer Höhe von gut drei Metern an der hinteren Wand entlanglief. Sie schwankte immer noch, ob sie der Familie ausweichen oder gekränkt sein sollte, weil man nicht zu ihrem Empfang angetreten war.
Sienna wollte weiteren Bemerkungen vorbeugen. Ehe sie allerdings etwas erwidern konnte, tauchte von links eine große, schlanke Frau mittleren Alters auf. Sie hatte volles, bis auf die Schultern reichendes Haar, das bereits grau wurde, und trug ein schlichtes dunkelblaues Kleid.
Blaine atmete auf. „Da kommt Hilary“, erklärte er, gespannt, ob Marcia ebenfalls erscheinen würde. Doch die hielt es offenbar nicht für nötig, ihrer Mutter beizustehen.
Hilary ging mit ausgestreckter Hand auf Amanda zu und sagte mit leiser, unsicherer Stimme: „Du musst Marks Frau sein.“
„Ganz recht“, antwortete Amanda, ohne sich um einen liebenswürdigen Ton zu bemühen.
Blaine hielt sich im Hintergrund und beobachtete die längst überfällige Begegnung. Amanda stand jedoch nur da und machte keinen Versuch, ihre Schwiegermutter zu umarmen, was diese offensichtlich erwartete oder zumindest erhoffte. Nicht einmal ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
„Willkommen in Katajangga, meine Liebe“, sagte Hilary. „Wir freuen uns sehr, dass du die weite Reise nicht gescheut hast.“
„Ich war fest entschlossen, euch kennenzulernen“, log Amanda und überließ Hilary für einen Moment ihre Hand. Ihre Miene drückte Überraschung aus. War das wirklich Marks Mutter? Sie konnte es kaum glauben! Das war nicht die dominante Frau, die er geschildert hatte. Sie sah nicht einmal gut aus – nein, sie war beinahe hässlich. Und dann diese zittrige Stimme! Mark hatte sich immer über ihre Strenge beklagt und ihr vorgeworfen, mit Desmond und Blaine gegen ihn Front gemacht zu haben.
„Eine Verräterin ist sie … meine Mutter!“, hatte er behauptet.
Amanda war verblüfft und gleichzeitig erleichtert. Diese Frau war keine ernst zu nehmende Gegnerin. Wie alt sie aussah – viel älter, als sie sein konnte. Verglichen mit ihr, sah ihre fünfzigjährige Tante Francine noch immer fabelhaft aus!
Hilary wandte sich Sienna zu, die zwei Schritte hinter Amanda stand. „Und Sie müssen Sienna sein“, begrüßte sie sie mit einem scheuen, zu Herzen gehenden Lächeln.
„Guten Tag, Mrs Kilcullen.“ Sienna trat vor und stand jetzt direkt unter einem Kronleuchter, dessen warmes Licht ihr wundervolles Haar voll zur Geltung brachte. Sie ergriff Hilarys schmale Hand und drückte sie herzlich. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, obwohl ich mir einen weniger traurigen Anlass gewünscht hätte. Erlauben Sie, dass ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid ausspreche.“
Blaine hatte die beiden nicht aus den Augen gelassen und fühlte sich zutiefst erleichtert. Sein ganzer Dank galt Sienna, die einfühlsam genug war, Hilarys Schmerz zu erkennen und sich dementsprechend zu verhalten.
Zu Siennas Überraschung strich Hilary ihr sacht über
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