Land der wilden Sehnsucht
entgehen.
Sienna hatte sich in ihrem Zimmer umgezogen und wusste vorübergehend nichts Rechtes mit sich anzufangen. Sie überlegte, ob sie beim Aufräumen helfen könnte, aber Magda und die Mädchen hatten die größte Unordnung schon beseitigt. So beschloss sie, nach ihrer Cousine zu sehen.
„Na, endlich!“, wurde sie unfreundlich begrüßt. Amanda trug einen Seidenkaftan und lag ausgestreckt auf dem Bett.
„Was soll das denn heißen?“
Amanda sah so vorwurfsvoll auf ihre Armbanduhr, als hätte sie eine unzuverlässige Dienerin vor sich. „Es ist halb drei.“
„Schade, dass du nicht noch kurz heruntergekommen bist. Viele Leute wollten sich von dir verabschieden.“
„Von wegen!“ Amanda lachte verächtlich. „Sie haben mich angesehen, als wäre ich eine Witzfigur. Und diese Marcia! Sie hasst mich!“
„Das stimmt nicht. Doch was erwartest du. Du warst nicht gerade freundlich zu ihr. Sie ist übrigens mit den Barretts zurückgeflogen. Deren Tochter Joanne ist eine gute Freundin von ihr.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass sie überhaupt eine hat. Aber wie auch immer … du bist ja diejenige, die alle Herzen gewinnt.“
„Joanne war früher mit Mark verlobt.“ Sienna wollte die Eröffnung hinter sich haben, solange Amanda lag.
„Ich wusste, dass es da eine Frau gegeben hat.“
„Und hast uns nichts gesagt?“
„Was ging es euch denn an?“ Amandas Trotz regte sich. „Mark sagte, sie sei seit ihrer Kindheit verrückt nach ihm gewesen. Hilary hat ihn mehr oder weniger zu der Verlobung gezwungen, aber er hielt es nicht aus.“
„So wenig wie die Ehe mit dir!“, platzte Sienna, die langsam zornig wurde, heraus.
„He, willst du mich beleidigen?“ Amanda setzte sich auf und machte eine gekränkte Unschuldsmiene. „Siehst du nicht, wie schlecht es mir geht?“
„Doch, das tue ich.“ Sienna gab aus alter Gewohnheit nach. „Du würdest dich besser fühlen, wenn du in den letzten Tagen richtig gegessen hättest. Du hast abgenommen, was du dir nicht leisten kannst. Du bist ja bald nur noch Haut und Knochen.“
„Na los … gib’s mir!“ Amanda warf sich wieder zurück in die Kissen. „Vielleicht wäre es mit Mark nicht gut gegangen, trotzdem habe ich ihn geliebt.“
„Möglicherweise ein Teil von dir. Eigentlich wolltest du doch nur deinen Willen durchsetzen. Die Verantwortung lag bei dir.“
„Vielen Dank für dein Verständnis.“ Auf Amandas Gesicht erschienen wieder die roten Flecken. „Ich würde gern nach Hause fahren, aber die lange Reise ist einfach zu anstrengend für mich. Vielleicht kann ich in Sydney einen längeren Stopover machen … die Stadt hat mir gefallen. Natürlich muss Blaine mir erst das Geld geben.“
„Immer wieder das Geld! Bist du nur deswegen hergekommen?“
„Darauf kannst du wetten!“
„Dann gebe ich dir den guten Rat, Blaine wenigstens den Zeitpunkt für die Übergabe bestimmen zu lassen.“
Amanda streckte die schlanken Arme nach oben. „Endlich muss ich dich und Onkel Lucien nicht mehr anbetteln.“
Sienna sah ihre Cousine bestürzt an. Ihr halbes Leben hatte sie sich um die „arme kleine Mandy“ gekümmert. Ihre Eltern hatten sie endlos unterstützt. Und das alles zählte plötzlich nicht mehr?
„Haben wir dir sonst nichts bedeutet?“, fragte sie traurig.
Amanda lachte. „Doch, natürlich … das sollte ein Scherz sein. Ich liebe dich abgöttisch, nur halte mir bitte keine Moralpredigt. Davon habe ich längst genug.“
„Wie du meinst.“ Sienna blickte um sich. „Kann ich dir irgendetwas bringen?“ Amanda sah wirklich schlecht aus. Vielleicht hatte sie eine Flasche Wodka im Zimmer versteckt.
„Wie wäre es mit einem anständigen Martini?“
„Eine Tasse Tee und ein Sandwich sind bestimmt besser für dich. Magda hat zwar alle Hände voll zu tun, aber ich kümmere mich darum.“
„Nicht nötig“, trällerte Amanda. „Ich lasse mir später etwas bringen.“
Die Küche lag am Ende des Korridors, der neben der linken Treppe vom großen Wohnzimmer abzweigte. An der Tür war ein Messingschild mit der Aufschrift „Magdas Reich“ angebracht. Sienna durfte die Kristallgläser spülen und hörte sich dabei die Lebensgeschichte der Haushälterin an. Sie war als junge Frau mit ihrem litauischen Freund nach Darwin gekommen. Dort hatte er sie sitzen lassen. Sie betrachtete es deshalb als großes Glück, dass sie auf Umwegen zu den Kilcullens nach Katajangga gekommen war.
Sie konnte nicht genug Gutes über die Familie sagen,
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