Land der wilden Sehnsucht
fällt, mich richtig einzuschätzen?“
„Das stimmt“, gab er zu. „Mich beschäftigt vor allem eine Frage. Hatten Sie ein Verhältnis mit Mark?“
Plötzlich hatte Sienna das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie wollte an Blaine vorbeigehen, doch er hielt sie an einem Arm fest.
„Sie sind abscheulich, Blaine. Ich hasse Sie!“
„Ihr Körper verrät mir aber etwas ganz anderes.“
„Wir dürfen das nicht“, stieß sie verwirrt hervor.
„Ich weiß.“
Sie standen so nah beieinander, dass Sienna seinen Atem in ihrem Haar spürte. „Gegenseitige Anziehung ist etwas Seltsames, nicht wahr?“, fragte er. „Etwas Seltsames und Elementares. Man kämpft dagegen an, ohne sich dessen verwehren zu können.“
Während er das sagte, zog er sie immer dichter an sich heran. Sienna hätte Widerstand leisten sollen, tat es aber nicht.
Und dann küsste Blaine sie heiß und verlangend. Als Blaine den Daumen über ihre Brüste gleiten ließ, vergingen ihr fast die Sinne, und Leidenschaft loderte in ihr auf. Blaine flüsterte etwas an ihren Lippen, aber sie verstand die Worte nicht. Wenn er nicht bald aufhörte, sie zu küssen und zu streicheln, würde sie sich ihm widerstandslos hingeben.
Endlich riss sich Blaine von ihr los. „Das musste ich tun“, keuchte er.
„Wolltest du dir damit etwas beweisen?“ Sienna war immer noch unfähig, klar zu denken. „Muss ich ab jetzt aufpassen, wenn wir allein sind?“ Ihre Erregung hatte sich plötzlich in Wut verwandelt.
Blaine zog die Augenbrauen zusammen. „Du weißt ganz genau, dass zwischen uns etwas vorgeht, das wir nicht kontrollieren können, Sienna. Wir wissen es beide. Mach dir also bitte nichts vor.“
Seine finstere Miene und die harten Worte steigerten ihren Zorn. Zu ihrem Entsetzen schlug sie mit der Faust auf seine Brust ein und schrie dabei: „Mir ist auch bewusst, dass nichts … absolut nichts daraus werden kann!“
Doch ihre Wut erlosch so plötzlich, wie sie gekommen war. Blaines Kuss hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. „Es tut mir leid“, sagte sie zerknirscht. „Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. So etwas habe ich noch nie getan.“
Blaine legte ihr beruhigend beide Hände auf die Schultern. „Keine Ausflüchte mehr, Sienna. Hattest du nun ein Verhältnis mit Mark oder nicht?“
„Darüber möchte ich nicht sprechen, und ich finde es auch nicht richtig, dass du irgendeine Schuld bei mir suchst.“
„Die Wahrheit zu erfahren ist doch das Mindeste, was ich erwarten kann. Was ist damals geschehen? Ich bin kein Dummkopf und weiß, dass Mark in dich verliebt war.“ Er umfasste ihre Schultern fester. „In dich … nicht in deine Cousine.“
„Du tust mir weh.“
„Entschuldige.“ Blaine ließ sie augenblicklich los. „Alle diese Geheimnisse … Dinge, die man vor mir verbirgt.“
„Gibt es die nicht in jeder Familie?“
„Mag sein, aber in meiner häufen sie sich.“ Er wandte sich brüsk ab. „Wir sollten lieber zurückreiten.“
Sienna fasste ihr Haar zusammen und setzte sich den Akubra auf. Wie gern hätte sie Blaine von dem schrecklichen Nachmittag erzählt, an dem Mark versucht hatte, sie gefügig zu machen. Dann hätte sie ihm allerdings alles anvertrauen müssen. Was wäre dabei herausgekommen? Nur neue Zweifel und neues Misstrauen. Dabei hatte sie sich damals so wenig zuschulden kommen lassen wie heute.
Nur Marks bedrohlicher Schatten war immer noch da.
Es dämmerte bereits, als sie das Haus erreichten. Blaine zog sich sofort in seine Privaträume im Westflügel zurück, während Sienna überlegte, ob sie nach Amanda sehen sollte. In welchem Zustand würde sie sein? Gut möglich, dass sie betrunken im Bett lag. Alkohol war jetzt ihr einziger Trost. Die Zuneigung, die sie jahrelang erfahren hatte, war vergessen.
Voller banger Vorahnung klopfte Sienna an die Tür ihrer Cousine und atmete auf, als sie ein helles, klares „Herein!“ als Antwort bekam.
„Nanu?“ Amanda lag auf dem Bett und betrachtete sie neugierig von oben bis unten. „Wo warst du denn?“
„Ich bin ausgeritten.“
„Allein?“
„Natürlich nicht. Blaine hat mich begleitet. Du ahnst nicht, wie aufregend es da draußen ist.“
„Nicht für mich, Darling. Die Wüste reizt mich nicht. Mit Blaine ist es natürlich etwas anderes, aber er interessiert sich nicht für mich … oder?“ Die Frage klang bewusst anzüglich.
„Erspar mir das bitte“, seufzte Sienna. „Blaine hat gerade erst seinen Bruder verloren.“
„Seinen
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