Land des Todes
astrologische Kunst und sucht, so munkelt man, auch bei bestimmten heiklen wie geheimen Staatsangelegenheiten seinen Rat, beispielsweise, wenn er sich diskret einer unbequemen Person entledigen will. Es heißt, Lamaga sei unerreicht darin, Leute verschwinden zu lassen. Und es heißt auch, er sei sogar in der Lage, die Erinnerung an einen Menschen so vollständig auszulöschen, als hätte eben dieser Mensch nie existiert, selbst bei jenen, die ihn sein Leben lang gekannt und geliebt hatten. Aus selbigem Grund sei der Magier daher auch in der Unterwelt sehr gefragt. Ich vermag nicht zu sagen, ob es sich dabei lediglich um düsteren Klatsch handelt, doch ob wahr oder nicht, aufgrund seines Rufs ist Lamaga zweifellos ein Mann, den man besser fürchtet.
Insofern verspürte ich durchaus Beklommenheit, als ich einen Führer anheuerte und in die überfüllten Straßen des Magierviertels einbog, um Lamagas Herrenhaus aufzusuchen. Doch ich gestehe, ich war auch äußerst neugierig. Allerdings erwies sich meine Begegnung mit dem Zauberer als recht unspektakulär. Statt der exotischen Kammer, die ich erwartet hatte, ausgestattet mit Samtvorhängen in Hülle und Fülle, erfüllt von Weihrauchgeruch, die Wände von Sigillen überzogen und gesäumt von Zauberbüchern, Glaskolben und ähnlicher magischer Gerätschaft, wurde ich in einen überraschend profanen Raum geleitet, wie er jedem meiner wohlhabenderen Bekannten hätte gehören können. Ein ganz gewöhnliches Gesellschaftszimmer, wenngleich gemütlich eingerichtet und mit Zeichnungen und Gemälden an den Wänden, die Lamaga als einen Kunstsammler von beträchtlichem und kundigem Geschmack auswiesen.
Der Mann selbst war gekleidet wie ein reicher Händler. Er war etwas stämmig und besaß ein unscheinbares Gesicht, womit ich meine, dass man auf der Straße an ihm vorbeigelaufen wäre und ihn für einen von Hundert anderen ehrbaren Bürgern gehalten hätte. Rein gar nichts an seinem Erscheinungsbild lieferte einen Hinweis auf seinen Beruf. Höflich lauschte er meinem Begehr, nickte verständig und ersuchte mich dann, kurz zu warten. Bald kehrte er mit einem kleinen Samtbeutel zurück. Darin befanden sich ein Silberring, in dessen Innenseite geheimnisvolle Zeichen graviert waren und den er mich anwies, ständig zu tragen, sowie eine Ampulle aus Glas mit einer Pipette. Die Ampulle enthielt eine smaragdgrüne Flüssigkeit.
»Wo immer Sie schlafen, müssen Sie einen Tropfen auf Ihr Kissen träufeln«, erklärte Lamaga. »Und auch auf die Schwelle jeder Außentür. Das wird Sie vor den meisten bösen Einflüssen beschützen, denen Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit im Hinterland begegnen könnten.«
»Den meisten?«, fragte ich, während ich die Ampulle eingehend begutachtete. Sie zeugte zweifellos von ungewöhnlich erlesener Handwerkskunst.
Eine kaum wahrnehmbare Regung – möglicherweise Verärgerung über meine Frage – huschte über seine Züge, und für einen Augenblick beschlich mich das bange Gefühl von Gefahr, als wäre ich unwissentlich einem schlafenden Tiger zu nahe gekommen. »Ich kann Sie nicht vor Ihrem eigenen unbesonnenen Verhalten beschützen«, erwiderte er förmlich.»Wenn Sie mit gesundem Menschenverstand handeln, vermeiden Sie ungewöhnliche Schwierigkeiten.«
Damit stand er auf, und das Gespräch war beendet. Ein wenig enttäuscht – schließlich hatte ich mir von diesem Besuch etwas mehr Aufregung erhofft – übergab ich ihm eine beträchtliche Menge Silber und ließ mich von seinem überaus honorigen Butler aus dem Haus komplimentieren.
Meine Reise nach Elbasa verlief alles in allem ereignislos.
Ich fuhr mit der Bahn zur Endstation der Strecke am fernen Ende der Tiefebene. Dort mietete ich eine Kutsche, die mich zum Nordplateau bringen sollte. Gewiss kann man sich vorstellen, mit welchem Interesse ich durch die offenen Vorhänge der Fenster beobachtete, wie die grünen und fruchtbaren Ebenen meiner Heimat in die steinige Schönheit des Hinterlands übergingen. Aus den gut gepflasterten Verkehrsadern der Stadt wurden erst ländliche Fahrwege für Wagen und schließlich Straßen, die bisweilen kaum mehr als Trampelpfade darstellten.
Am ersten Tag der Reise in der Kutsche begannen wir, in höhere Gefilde vorzudringen. Nach und nach verschwanden die Linden, Birken und Eichen der Tiefebene, um Nadelbäumen und niedrigen, vom Wind gezeichneten Dornenbüschen und Gestrüpp das Feld zu überlassen. Das Wetter war klar und kalt, der Himmel eisblau. Ich
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