Land des Todes
nicht. Etwa eine Stunde verbrachten sie damit, in ihrem Schlafgemach miteinander zu reden, was mich empörte. Dann ließ sich Lina ihren Mantel und ihre Stiefel bringen, und die beiden verließen das Haus in Richtung des Flusses, obwohl die Luft nach Regen roch.
Als Tibor zum Mittagessen zurückkehrte, waren sie nach wie vor unterwegs. Er fragte mich, wo Lina sei, und ich antwortete ihm recht bestürzt, dass sie einen Spaziergang mit Herrn Damek unternähme. Tibor wurde rot vor Demütigung und Wut, erwiderte jedoch nichts und beendete schweigend seine Mahlzeit. Ich verspürte Mitleid mit ihm und Verärgerung über das Paar, dessen Gedankenlosigkeit solchen Schmerz verursachte.
Eine Stunde nach dem Mittagessen schlug der Wind um, und es begann zu regnen. Anfangs war es ein leichter Schauer, und ich dachte, er würde vorübergehen, doch nach einer halben Stunde erkannte ich, dass wahrhaft schlechtes Wetter eingesetzt hatte. Ich beobachtete, wie die Regenschleier über den Hinterhof fegten, während ich in der Küche arbeitete, und ich ärgerte mich einmal mehr über Linas Torheit. Im besten Fall lieferte sie sich der Gefahr einer schlimmen Erkältung aus; im schlechtesten setzte sie angesichts ihres heiklen Zustands nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel.
Wenig später kam Tibor zur Hintertür herein, nickte mir zu, als er sich aus der nassen Überkleidung schälte, und ging anschließend nach oben.
Es schien ewig zu dauern, bis ich ein Zeichen von den anderen zu sehen bekommen sollte, obwohl in Wirklichkeit vermutlich weniger als eine Stunde verstrich und es sich nur durch meine Ungeduld so lange anfühlte. Das Wetter schien sich nicht bessern zu wollen, und ich begann, mir ernsthafte Sorgen zu machen und zu überlegen, ob ich jemanden losschicken sollte, um nach den beiden zu suchen. Schließlich hörte ich Geräusche aus dem vorderen Bereich des Hauses und eilte los. Während ich mir noch die Hände an der Schürze abwischte, erblickte ich Lina und Damek, die von Kopf bis Fuß triefnass in einer Pfütze im Flur standen. Lina umklammerte Dameks Arm und lachte; außerdem atmete sie schwer, als wäre sie gerannt – und das in ihrem Zustand!
»O Anna«, rief sie, als sie mich bemerkte. »Sieh uns nur an! Es hat wie aus Eimern gegossen, und wir waren unten am Fluss. Wir haben versucht, unter der alten Weide Unterstand zu finden, aber der Regen hörte nicht auf, und wir wären dort ebenso nass geworden wie hier, also sind wir nach Hause gerannt!«
Ich eilte vorwärts und tadelte sie beide. In Linas Augen funkelte eine gefährliche Euphorie, und als ich ihre Arme berührte, um ihr den triefenden Mantel auszuziehen, fühlte sich ihre Haut kalt wie die einer Leiche an. Abgesehen von zwei roten Flecken auf der Wange war sie totenbleich, und ihre Zähne klapperten.
»Herr Damek, Sie sollten sich was schämen! Sie sollten es wirklich besser wissen, als sie durch den Regen laufen zu lassen!«, schimpfte ich. »Sie ist kein Kind mehr, und sie ist krank gewesen. Wenn sie wieder krank wird und stirbt, ist das allein Ihre Schuld.«
Ich sah, wie seine Augen in ihre Richtung zuckten, als ich die Worte aussprach, und da wusste ich, dass ich ihn getroffen hatte.
»Sei nicht albern, Anna«, rief Lina. »Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt! Wie könnte ich jetzt sterben? Jetzt, wo ich glücklicher bin, als ich es je zuvor war?«
Ihre Stimme hallte durch den Flur und erreichte die Ohren Tibors, den ich plötzlich am Kopf der Treppe erblickte, kurz davor, herunterzukommen. Einen Moment lang zauderte er wie jemand, der geschlagen worden war, dann rannte er die Stufen regelrecht herunter. Ohne Damek zu beachten, packteer seine Gemahlin am Arm, wirbelte sie zu sich herum und verlangte zu erfahren, wo sie gesteckt hatte.
Lina entriss ihren Arm seinem Griff. »Wie kannst du es wagen, mich so anzufassen!«, schleuderte sie ihm mit all dem Hochmut einer Prinzessin königlichen Geblüts entgegen. Tibor hatte diese Stimmung bei ihr noch nie zuvor erlebt und wich einen Schritt zurück. Er wirkte gleichermaßen überrascht und beschämt. »So redest du nicht mit mir. Du hast mir Achtung entgegenzubringen.«
»Ich bin dein Ehemann«, entgegnete Tibor, der vor Wut zitterte. »Oder hast du das vergessen?«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie.
»Du benimmst dich wie eine Dirne«, sagte er. »Nicht wie meine Frau.«
Lina sog scharf die Luft ein, und Dameks Züge verfinsterten sich vor Zorn.
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