Land des Todes
sehen, zum Ausdruck.
Ich brauchte beinah eine Stunde, um sie zu beruhigen. Sie stimmte nur zu, sich auszuruhen, weil sie erschöpft wurde, und selbst da bestand sie noch darauf, sich auf ein Sofa im Empfangszimmer zu legen, wo sie vor qualvoller Erwartung bei jedem Geräusch hochschreckte.
In derart verzückter Stimmung hatte ich sie seit meiner Rückkehr nicht mehr erlebt, und ich wünschte mir, eine ebensolche Freude empfinden zu können. Aber es war mir unmöglich, mich mit dem Fieber anzufreunden, das damit einherging, oder mit der Art, wie der Puls in ihrem Hals flatterte, als wäre ein verwundeter Schmetterling darin gefangen.
XXII
Als Tibor zum Haus zurückkehrte, flog Lina ihm förmlich entgegen, um ihn zu begrüßen, atemlos ob ihrer Neuigkeiten.
Zunächst sprach er auf die Freude seiner Gemahlin an – er wusste, dass Damek ein Freund aus ihrer Kindheit war, den sie seit Langem vermisste –, doch als der Gefühlsüberschwang nicht abriss und jedes andere Gesprächsthema beiseite fegte, schwand Tibors Begeisterung dahin. Seine Gattin bemerkte seine Gleichgültigkeit kaum: Sie hatte mehr als genug Freude für sie beide.
Am Mittagstisch gaben sie ein nettes Bild ab. Sie schäumte förmlich über vor aufgeregtem Geplapper, und er wurde immer mürrischer. Schließlich erreichte seine Gleichgültigkeit sogar Linas überreizte Wahrnehmung, und sie tadelte ihn dafür, dass er ihre Freude nicht teilte. Seine Antwort war barsch, woran sie weiteren Anstoß nahm, und letztlich schleuderte Tibor seinen Teller quer durch den Raum und stapfte aus dem Haus.
Als ich die Schweinerei aufwischte, dachte ich bedrückt, dass dies kein vielversprechender Beginn sei. Lina konnte natürlich keinen triftigen Grund für Tibors Verhalten erkennen und bezichtigte ihn, launisch, kleinlich und grausam zu sein.
»Ich würde sagen, er ist eifersüchtig«, meinte ich kurz angebunden. Ich hatte wenig Geduld mit ihr, da ich aufgrund der Szenen von jenem Vormittag mit der Arbeit im Rückstand war. »Und vielleicht ist das durchaus verständlich.«
»Das ist bloß albern! Er ist mein Ehemann, und er sollte so lieben, wie ich es tue. Es ist kleingeistig und gemein von ihm, zu versuchen, mir meine Freude zu verderben.«
Ich seufzte und brachte ohne weitere Widerworte meinen Eimer und meinen Lappen in die Küche. Ich wusste, dass es sinnlos gewesen wäre. Allerdings dauerte es nicht lange, bis sie mir folgte. Den Streit mit ihrem Ehemann hatte sie bereits vergessen.
»Anna, glaubst du, Damek wird heute Nachmittag vorbeikommen? Ich denke, ich sollte das Rote Haus besuchen, findest du nicht? Ich meine, wenn er nicht herkommt. Warum ist er nicht bereits hier gewesen?«
Ich klärte sie auf, dass es einen Skandal verursachen würde, wenn sie Damek allein besuchte. Außerdem erinnerte ich sie daran, dass Masko im Roten Haus lebte, und dass sie gezwungen wäre, auch mit ihm zu sprechen. Erst der letztere Punkt brachte sie ins Grübeln: Sie hasste Masko nach wie vor inbrünstig und mied ihn völlig. Ich wiederholte meine Beteuerung, dass Damek bald zu Besuch kommen würde, und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.
Nach einer Weile wanderte sie zurück ins vordere Zimmer, wo sie ungeduldig am Fenster ausharrte. Ich für meinen Teil betete, dass Damek sich diesen Tag aussuchen würde, obwohl ich seinen Besuch fürchtete. Sollte er es nicht tun, wagte ich nicht, mir auszumalen, in welchem Zustand sich Lina bis zum Einbruch der Nacht befinden würde. Doch angesichts der Tatsache, dass er wütend auf sie war, schien es mir nicht unwahrscheinlich, dass er seine Aufwartung hinauszögern würde. Ob meiner Sorge ertappte ich mich dabei, mir zu wünschen, Damek wäre wirklich getötet worden. Linas Unvernunft an jenem Vormittag hatte mich mehr bestürzt, als ich sogar mir selbst gegenüber eingestehen wollte. Wenn ich an den Streit beim Mittagessen und daran dachte, was Damek am vergangenen Abend zu mir gesagt hatte, erfüllte mich Beklommenheit. Also dachte ich an überhaupt nichts. Ich widmete mich meinen Aufgaben, und anschließend versuchte ich, meine Herrin dazu zu bewegen, sich auszuruhen, wogegen sie sich zunehmend gereizter sträubte.
Zudem wurde sie von Minute zu Minute angespannter. Am Nachmittag dann war Lina in einem solchen Zustand, dass sie selbst das kleinste Geräusch – das Bellen eines Hundes, das Schließen einer Tür – entsetzlich zusammenzucken ließ. Mir selbst erging es kaum besser, weil mich ihre Rastlosigkeit und ihre
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