Land des Todes
Unruhe angesteckt hatten. Auch ich lauschte sowohl auf Tibor als auch auf Damek; am meisten fürchtete ich mich davor, dass die beiden zusammen auftauchen könnten, ein unglücklicher Zufall, der für niemanden von uns gut wäre.
Ich glaube, als ich irgendwann Hufe vernahm, die sich dem Haus näherten, sprang ich ebenso hoch auf wie sie. Lina stürmte zum Fenster und bestätigte, dass es sich um Damek handelte; alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht, und einen Moment lang dachte ich, sie würde in Ohnmacht fallen. Ich eilte zu ihr und stützte ihren Arm, doch sie drehte sich mir mit einem Blick zu, der vor Furcht herzzerreißend war.
»Ich kann ihn nicht empfangen«, sagte sie. »Anna, sag ihm, er soll verschwinden!«
In meiner Verzweiflung über ihre Wankelmut hätte ich sie am liebsten geschüttelt. Dann klopfte es an der Tür, und ich schwöre, sie wurde noch blasser.
Ich verkniff mir die scharfen Worte, die mir auf der Zunge lagen, und ersuchte sie stattdessen, sich zu setzen, damit ich öffnen gehen konnte.
Sie schüttelte den Kopf, also rührte ich mich nicht. Als es abermals klopfte, ergriff sie meine Hand so fest, dass ich die Knochen knirschen spürte. Sie zitterte am ganzen Leib. Mittlerweile war ich halb verwirrt.
»Bitte setzen Sie sich, Frau Lina, ich fürchte, Sie fallen sonst hin«, sagte ich, und zu meiner Erleichterung tat sie, wie ihr geheißen. »Ich sage ihm, dass Sie sich unwohl fühlen und er Sie nicht sehen kann.«
»Nein! Nein, bring ihn herein!«
Zweifelnd musterte ich sie, aber es war ein wenig Farbe inihr Gesicht zurückgekehrt, und so klagte ich innerlich über das Unglück dieses Tages und eilte zur Tür.
»Grüß dich, Anna«, sprach der Stifter all des Ungemachs. »Wie geht es deiner Herrin?«
Nachdem ich mich den ganzen Tag mit meiner Herrin geplagt hatte, stellte mich sein Plauderton auf eine schwere Probe. »Es geht ihr nicht gut, Herr Damek«, antwortete ich. »Gar nicht gut. Nach dem Vormittag, den wir hatten, verfluche ich fast Ihre Rückkehr nach Hause.«
Darauf erwiderte er nichts. Stattdessen betrat er den Flur und reichte mir seinen Mantel. Lina hörte sein Eintreten und rief nach mir.
»Nun denn, ist sie da drin?« Ohne mich weiter zu beachten, ging er auf die Wohnstube zu. Händeringend folgte ich ihm; ich hatte das Gefühl, ihn aufhalten zu müssen, wusste jedoch nicht, wie.
Lina saß noch, wo ich sie zurückgelassen hatte, und starrte zum Eingang. Als sie Damek erblickte, weiteten sich ihre Augen, und ihre Lippen teilten sich, als wollte sie sprechen, aber es kamen keine Worte aus ihrem Mund. Damek hielt an der Schwelle inne, und eine lange Weile rührten sich die beiden nicht und sagten kein Wort. Ich vermute, bis zu jenem Moment hatte er nicht wirklich geglaubt, dass sie schwanger war: Mit bohrendem, fast entsetztem Blick starrte er auf ihren großen runden Bauch.
Lina konnte nicht anders, als es zu bemerken. Sie errötete und legte die Hand schützend auf die üppige Wölbung. Dann schien sie sich zu sammeln. Sie stand auf und streckte die Hand zu einer förmlichen Begrüßung aus.
»Damek!«, sagte sie. »Wie … wie wunderschön, dich zu sehen.«
Er schritt auf sie zu, ergriff ihre Hand und blickte ihr ernst ins Gesicht. »Gleichfalls!«, erwiderte er.
Ein langes Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus, aber ihre Blicke blieben gegenseitig auf ihre Antlitze geheftet.Damek hielt weiter ihre Hand, und Lina zog sie nicht zurück. An dieser Stelle hielt ich es für klug, einzuschreiten, denn sie schienen meine Anwesenheit völlig vergessen zu haben.
»Herrin, soll ich Erfrischungen bringen?«
Verwirrt drehte sich Lina mir zu. Ihre Miene strahlte, als wäre plötzlich ein Schleier von einem inneren Licht gezogen worden. »Erfrischungen? Wofür?«
»Für Sie und Ihren Gast«, erwiderte ich.
»Ich denke, wir brauchen nichts, Anna«, meldete sich Damek mit vielsagendem Blick zu Wort. »Außer vielleicht ein wenig Ungestörtheit.«
»Ich denke, dem Master würde es nicht gefallen, dass seine Gemahlin allein mit einem Mann -«
Hier unterbrach mich Damek mit einer Obszönität, und zu meinem Leidwesen lachte Lina. Nun, da Damek endlich anwesend war, schien sich ihre Anspannung schlagartig in Luft aufgelöst zu haben; tatsächlich erinnerte mich der spöttische Blick, den sie auf mich richtete, mehr an die alte Lina, als ich es seit meiner Rückkehr nach Elbasa erlebt hatte. Sie drückte sich Dameks Hand an die Brust, als sie sprach.
»Anna, mach
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