Land des Todes
»Sie denken nie daran, in welcher Lage sich Lina befindet. Sie ist eine verheiratete Frau, und Sie bringen Schande über ihren Namen, obwohl sie sagt, dass sie endlich glücklich ist! Wenn Sie wüssten, was gut für sie ist, würden Sie dorthin zurückgehen, von wo Sie gekommen sind.«
»Ich wette, würdest du dasselbe zu ihr sagen, sie würde dich zur Hölle wünschen«, meinte er.
Nach dem, was mir Lina in der Nacht zuvor gesagt hatte, konnte ich das nicht verleugnen, doch ich hatte genug. »Umso mehr Grund für Sie, zu gehen, wenn Sie die richtige Entscheidung nicht allein treffen kann. Sie könnten sich ihrer ruhig erbarmen, Herr Damek.«
Er lachte humorlos auf. »Mich Linas erbarmen? Du solltest sie wirklich besser kennen! Du solltest sie auffordern, sich meiner zu erbarmen.«
Hätte ich mich getraut, hätte ich Damek für seine Selbstsucht geschlagen. Er musste es mir am Gesicht angesehen haben, denn seine Miene änderte sich. Plötzlich packte er meinen Arm, hielt mich so fest, dass ich aufschrie.
»Wenn du nur wüsstest, wie ich leide! Ich lebe unter einem Fluch, und sie ist die Hexe, die mich verwunschen hat. Mein Herz gleicht einem rot glühenden Schraubstock. Jeden Tag zerren und reißen Dämonen daran, und jeden Tag reichen die Wunden tiefer. Und sie verheilen nicht, nein, nicht, solange ich noch atme. Ich weiß, dass du mich verachtest, weil ich nicht an Gott glaube, Anna. Aber sei gewiss, ich weiß, dass es die Hölle gibt, denn ich lebe darin. Und Lina weiß es, sie weiß es tief in ihrem Innersten. Sie hat mich dorthin verbannt, als sie ihr eigenes Herz verraten hat. Nein, ich erbarme mich ihrer nicht. Sie verdient es nicht.«
All das trug er mit so leiser, eindringlicher Stimme und so schnell und leidenschaftlich vor, dass ich kaum verstand, was er sagte. Ich zog meinen Arm weg, und da ließ er mich endlich los. Ich wich vor ihm zurück.
Abermals lachte er mir ins kalkweiße Gesicht, wenngleich keine Belustigung darin mitschwang. »Ich weiß, du hältst mich für ein Ungeheuer. Vielleicht hast du das schon immer getan«, raunte er. »Aber ich sage dir, so unmenschlich bin ich nicht. Ich wünschte, ich wäre es. Aus tiefster Seele wünschte ich, ich wäre es.« Damit schob er sich an mir vorbei und ging nach oben, wo Lina ihn in ihrem Schlafzimmer erwartete.
XXVII
Ich kehrte in die Küche zurück und versuchte, meine konfusen Gedanken zu sammeln, indem ich Gemüse hackte, ein Hühnchen ausnahm und mich verschiedenen anderen Aufgaben widmete, aber meine Hände zitterten so heftig, dass ich kaum ein Messer halten konnte.
Schließlich schenkte ich mir einen Zwetschgenschnaps ein, der zumindest gegen die Zittrigkeit half. Ich hatte das Feuer angefacht und mich gerade daran gemacht, das Hühnchen zu füllen, als ein Schrei durchs Haus hallte. Ich wusste auf Anhieb, dass er von Lina kam, noch bevor sie meinen Namen rief. Dann hörte ich, wie Damek die Treppe herunterstürmte und um Hilfe brüllte.
Ich kann mich nicht daran erinnern, aus der Küche in Linas Zimmer gegangen zu sein: Es schien, als wäre ich einfach plötzlich dort gewesen. Lina lag eingerollt auf dem Bett und keuchte wie ein wildes, in die Enge getriebenes Tier. Ihr Haar war zerzaust, ihr Korsett zerrissen. Ich erkannte, dass meine schlimmsten Befürchtungen wahr geworden waren und Damek seine Leidenschaft zum Ausdruck gebracht haben musste. Mir blieb keine Zeit, um darüber nachzudenken: Lina stöhnte und stemmte sich auf die Hände und Knie, und ich sah, dass Blut durch ihre Röcke sickerte.
Ich drehte mich um und überlegte, ob ich zum Arzt laufen oder bei ihr bleiben sollte. Da sah ich, dass Damek hinter mir stand. Er wirkte über die Maßen verstört – das einzige Mal in seinem Leben, dass ich ihn so sah. Alles Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen, und seine Knöchel traten weiß hervor. In meiner Verstörtheit schüttelte ich ihn.
»Was haben Sie getan? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
Er ließ sich nicht dazu herab, mir zu antworten. Stattdessen fragte er mit zittriger Stimme, was mit Lina los sei.
»Es ist soweit, Sie Narr!« Ich war darüber hinaus, mir meine Worte gut zu überlegen. Wenngleich ich keine Ahnung vom Geburtsvorgang hatte, sah dieser Anblick falsch für mich aus, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. »Was glauben Sie wohl, was mit ihr los ist?«
Lina hörte mich, verrenkte sich auf dem Bett und rief meinen Namen, also rannte ich zu ihr und ergriff ihre Hand. Blind schloss sie die Finger um die
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