Land des Todes
meinen. Sie presste die Lider fest zu, wenngleich darunter Tränen hervorquollen und über ihr Gesicht liefen. »Anna, es tut weh! Es tut so weh!« Ihr Herz pochte so schnell, dass ich es förmlich in der Brust rasen sehen konnte, und ihre Hand war eiskalt und nass von Schweiß. Ich murmelte tröstende Worte und wischte ihr die Stirn ab. Sie verzog das Gesicht, dann seufzte sie.
»Jetzt ist es weg«, sagte sie, öffnete die Augen und schaute zu mir auf. Mir entfuhr ein Schrei, und ich riss vor Schreck beinah meine Hand zurück – denn die Augen, die in ihrem bleichen Antlitz loderten, waren die violetten Augen einer Hexe. In jenem Moment dachte ich, dass es sich gar nicht um Lina handelte, sondern um eine höllische Erscheinung, die geschickt worden war, um mich zu quälen. Dann sammelte ich mich und versuchte mich zu entsinnen, was zu tun sei.
»Sie bluten, Frau Lina«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich gehe den Arzt holen.«
Sie umklammerte meine Hand noch fester. »Lass mich nicht allein!«, bat sie. »Geh nicht weg!«
Ich streichelte ihr Haar und forderte sie auf, sich zu beruhigen, doch sie ließ meine Hand erst los, als ich versprach, bei ihr zu bleiben. Ich gab ihr mein Versprechen, und dann überzeugte ich sie davon, dass ich Hilfe beschaffen musste.
Damek stand reglos wie eine Statue an der Tür und beobachtete uns. Ich ging zu ihm und redete leise auf ihn ein, da ich von Lina nicht gehört werden wollte.
»Gott möge den Mann in der Hölle verrotten lassen«, sagte Damek. »Er bringt sie um mit seinem Balg.«
»Nein, Sie sind es, der sie umbringt«, widersprach ich heftig. »Ich habe Ihnen gesagt, dass sie der Niederkunft nah ist! Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen darauf Rücksicht nehmen! Und was haben Sie gemacht? Ihre Augen …«
»Sie ist wieder Lina, Anna.« Er fasste mich an den Schultern und starrte mir eindringlich ins Gesicht. »Sie ist endlich wieder sie selbst. Erkennst du das denn nicht? Ich könnte vor Freude darüber Luftsprünge machen. Aber jetzt …«
»Jetzt wird sie sterben, wenn Sie nicht helfen. Verschwinden Sie von hier, dies ist kein Ort für Sie. Wenn Ihnen etwas an Linas Leben liegt, dann reiten Sie umgehend los, um den Arzt zu holen …«
Er starrte mich noch einen Lidschlag lang an, bevor er mich beiseite stieß, zu Lina ans Bett eilte, sie ungestüm in die Arme nahm und ihr Gesicht mit wilden Küssen übersäte. Sie schlang die Arme um seinen Hals, und ich sah, dass sie schluchzte.
»Es hat aufgehört, wehzutun, Liebster«, sagte sie. »Mein lieber, lieber Damek.«
Damek erwiderte nichts. Er drückte sie nur begierig an sich, und ich sah, dass seine Schultern zitterten. Schließlich beherrschte er sich und richtete sich auf, damit er ihr ins Gesicht blicken konnte.
»Gott, Lina, wie konntest du uns das nur antun?«, fragte er mit leiser Stimme. »Wie konntest du nur? Was, wenn du stirbst? Was würde ich ohne dich nur tun?«
Lina lachte schwach, aber es war ein jämmerlicher Abklatsch ihres üblichen spöttischen Lachens. »Sterben? Wer redet denn vom Sterben? Ich habe dir doch gesagt, dass ich ewig leben werde … Ich bekomme nur ein Kind. Leben, nicht Tod …«
»Aber du bist so blass«, flüsterte er. »Und warum all das Blut, Lina?«
»Es fließt immer Blut dabei«, erwiderte sie.
»So viel?«, gab er zurück und hob ihr triefnasses Kleid an. »Gewiss nicht so viel!« Er küsste erst den Stoff, dann ihr Gesicht, sodass auf ihrem Mund und ihren Wangen blutige Abdrücke seiner Lippen zurückblieben.
Ich stand wie gelähmt da – ich spürte, dass ich dazwischengehen sollte, wusste jedoch nicht, wie. Dann ertönte ein scheues Klopfen an der Tür. Es war Fatimas Nichte Irli, die gekommen war, um nachzusehen, worum es bei all dem Wirbel ging. Sie versuchte, einen Blick ins Zimmer zu werfen, aber ich ließ es sie nicht zu und schloss die Tür hinter mir, bevor ich ihr hastig Anweisungen erteilte. Ich trug ihr auf, den Arzt und die Hebamme holen zu lassen, und zwar so schnell wie möglich, wenn ihr etwas am Leben der Herrin liege.
Kurz verweilte ich auf dem Treppenabsatz, um zu verschnaufen, dann kehrte ich ins Zimmer zurück. Lina und Damek umarmten einander nicht mehr. Lina lag auf der Seite, ihr Haar über das Kissen verteilt. Ihr Bauch wirkte gewaltig, fast so, als wäre er kein Teil ihres Körpers. Damek saß neben ihr auf dem Bett und streichelte ihr Gesicht. Als ich mich den beiden näherte, durchlief ein Wogen Linas Bauch, gleich einer
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