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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Zärtlichkeit einher, kein Vergnügen, nur Notwendigkeit …«
    »Dann haben Sie falsch gehandelt, als Sie Herrn Tibor geheiratet haben. Und Sie tun Ihrem Kind und allen rings um Sie ein Unrecht an.«
    Tränen glänzten in ihren Augen, und eine Weile schwieg sie. »Wenn ich falsch gehandelt habe«, sagte sie schließlich mit leiser Stimme, »dann gibt es auch kein Richtig.«
    »Sie haben falsch gehandelt, Frau Lina, und das wissen Sie genau«, wiederholte ich und verspürte ob ihrer Tränen kein Mitleid. »Sie haben sich diese Suppe eingebrockt, jetzt müssen Sie sie auch auslöffeln.«
    »Hör auf, mir zu predigen, Anna.« In ihren Augen blitzte eine plötzliche, tödliche Wut auf. »Und maßregle mich nicht mit deinen billigen Sprichwörtern.«
    Ich verwahrte mich gegen den Vorwurf, beharrte stattdessen darauf, dass alles, was ich gesagt hatte, überaus vernünftig sei und sie dies auch wisse; doch dadurch wurde sie so wütend, dass sie bis auf die Lippen erbleichte. Sie brüllte mich an, ich solle ihr aus den Augen gehen. Ich sah keinen Sinn mehr darin zu bleiben, und so verfluchte ich meinen Übereifer, der mehr geschadet als genutzt hatte, und ergriff die Flucht.
XXVI
    Als ich mich am folgenden Morgen aus dem Bett erhob, schaute ich aus meinem Schlafzimmer und erblickte in der Ferne den Zauberer Ezra, der auf die Manse zukam.
    Lange starrte ich hin, um mich zu vergewissern, aber seine Gestalt und sein Gang sowie der verkümmerte Körper seines Stummchens waren unverkennbar. Es herrschte um diese Zeit schon das erste Tageslicht: Die Sonne zeichnete sich als fahles Phantom hinter dem Frühdunst ab, und auf dem Boden bildete der Nebel seichte Tümpel, sodass es aussah, als watete der Zauberer knietief durch ein weißes Meer. Es war ein unheimlicher Anblick, fast so, als schwebe er über dem Boden.
    Hastig kleidete ich mich an und rannte die Treppe hinunter. Mein Herz schlug schnell. Ich hatte seit meiner Rückkehr nicht mit dem Zauberer gesprochen; tatsächlich hatteich ihn kaum zu Gesicht bekommen, außer gelegentlich bei Besorgungen im Dorf. Während ich in der Küche weilte, das Feuer im Ofen anfachte und unruhig auf sein Klopfen an der Tür wartete, kam mir der Gedanke, dass er vielleicht in einer Mission zu den Hügeln hinter der Manse unterwegs sein könnte, womöglich, um die Todesstätte des alten Kiron zu untersuchen. Das schien mir wahrscheinlicher zu sein, als dass er vorsätzlich den ganzen Weg zur Manse käme, zumal die Vendetta eine reine Zaubererangelegenheit darstellte. Ich zwang mich, ruhig zu werden, und setzte Wasser für einen Kräutertee auf, um meine Nerven zu festigen. Aber nein: An der Vordertür ertönte ein lautes Klopfen, das mich dermaßen zusammenzucken ließ, dass ich den Kessel umschüttete. Ich warf einen Lappen auf die Lache am Boden und hastete zur Tür.
    Ezra stand vor der Schwelle und hielt seinen Schwarzdornstock in der Hand. Er sah genauso aus wie damals, als wir vor all den Jahren nach Elbasa kamen und ich ihn zum ersten Mal erblickt hatte. Mich beschlich das höchst eigenartige Gefühl, dass sich die Geschichte wiederhole: Es war, als wäre ich meine Mutter, die bis ins Mark verängstigt an der Eingangstür ihres Heims stand und sich sammelte, um Ezra zu trotzen. Um Zeit zu schinden, wischte ich mir die Hände an der Schürze ab, bevor ich ihn respektvoll begrüßte und mich nach seinem Begehr erkundigte.
    »Ich werde nicht hineinkommen«, sagte er, als hätte ich ihn eingeladen. »Ich will mit dir reden.«
    »Mit mir, Herr?« Unwillkürlich begegnete ich seinem Blick, doch er sah mich keineswegs unfreundlich an.
    »Wie ich höre, bist du eine Frau, die Tugend und Vernunft besitzt«, sagte er.
    Hätte ich mich nicht so sehr gefürchtet, ich hätte vielleicht über diese Beschreibung gelacht. Nicht, dass sie gänzlich unzutreffend gewesen wäre, aber auf diese Weise sprachen Männer nun einmal über Frauen, die sie auf der Straße kaumbemerkt hätten. Stattdessen murmelte ich etwas Nichtiges, spürte, wie mein Gesicht loderte, und wartete. Gewiss hatte er den weiten Weg nicht bloß zurückgelegt, um mir das zu sagen.
    »Ich weiß auch, dass du Frau Alcahil kennst, seit ihr Milchschwestern wart.« Einen kurzen Augenblick fragte ich mich verwirrt, weshalb er nun von Tibors Mutter redete, bis ich mich entsann, dass »Alcahil« ja auch Linas Ehename war.
    »Aye, Herr, wir kennen einander bereits, seit wir Kinder waren«, bestätigte ich.
    »Dann wird sie dir als Botin vertrauen.

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