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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Erschütterung des Bodens bei einem Erdbeben. Sie stöhnte und krümmte den Rücken so heftig durch, dass Damek von der Bettkante gestoßen wurde. Ich sah, dass sie immer noch seine Hand umklammerte, aber mittlerweile hatte sie einen Zustand erreicht, in dem sie nicht mehr wusste, was sie tat.
    Ich löste ihrer beiden Finger voneinander, und sie ergriff stattdessen meine Hand, als wäre sie am Ertrinken. Damek stand wie betäubt da, bis ich ihn anbrüllte, dass er genug Schaden angerichtet habe und jetzt endlich gehen solle. Dann war ich zu beschäftigt damit, mich um Lina zu kümmern, um zu sehen, was er tat. Aber als ich das nächste Mal Gelegenheit hatte, aufzuschauen, war er verschwunden.
XXVIII
    Es war das erste Kindbett, an dem ich weilte.
    Wäre es mein Letztes geblieben, hätte ich behauptet, dass die Geburt eines Kindes das Schlimmste sei, was einer Frau je widerfahren könne und meine Kinderlosigkeit als Segen empfunden. Seither jedoch habe ich viele Frauen in den Wehen gesehen und erfahren, dass die Niederkunft zwar für jede Frau eine große Anstrengung bedeutet und nie ohne Schmerzen erfolgt, für die meisten aber nicht die Tortur ist, die es für Lina war.
    Bisweilen staune ich über die Stärke von Frauen, die Männer so leichtfertig als das schwächere Geschlecht bezeichnen: Das kann nur jemand behaupten, der nicht weiß, wie stoisch Frauen die Mühsal und Pein einer Geburt erdulden, und mit welcher Freude, wenn sie am Ende das Kind in den Armen halten, das sie zur Welt gebracht haben.
    Lina gehörte nicht zu diesen Frauen. Ihr Körper schien einen Krieg gegen sich selbst auszufechten. Sie warf sich vor Schmerzen und Angst hin und her und schrie, dass sie noch nie solche Qualen durchlitten habe, dass sie von einem Monster zerrissen werde, dass Klauen und Zähne sie von innen heraus zerfetzten. Ich glaubte, sie müsste damit recht haben, denn ich konnte die Blutung nicht stillen. Eine Decke war völlig durchtränkt, bevor der Arzt eintraf, und er kam ziemlich schnell, da er sich zum Glück im Dorf aufgehalten hatte. Er beurteilte rasch ihren Zustand und verabreichte ihr sofort eine Tinktur, die ihr Leiden linderte und die Blutung eindämmte.
    Ich verlor jedes Zeitgefühl und erinnere mich nicht besonders gut an die folgenden Stunden. Ich tat einfach, wie mir geheißen, und betete. Das Kind wurde geboren, als die Sonne bereits unterging. Als der Arzt das winzige Würmchenin die Arme nahm und die Nabelschnur durchschnitt, fiel gerade ein Strahl der im Westen versinkenden Sonne durch das Fenster und vergoldete die Szene mit einem unwirklich anmutenden Glanz. Ich erinnere mich noch, dass ich überrascht war: Hätte mich jemand gefragt, ich hätte geantwortet, dass tiefste Nacht herrsche. Jener gesamte Tag kam mir vor wie eine Reise durch einen dunklen Tunnel.
    Im Nu, zumindest schien es so, waren das Kind gebadet, Lina gewaschen, die blutigen Laken zur Wäsche gebracht und neue Leinen geholt, sodass es in der Kammer nicht mehr aussah wie in einer Schlachterei. Ermattet legte sich Lina in ein frisches Nachtgewand gekleidet auf das Kissen zurück. Sie war bis auf die Lippen so bleich wie eine Leiche. Der einzige Teil ihrer selbst, der lebendig zu sein schien, waren ihre Augen, und die strahlten unnatürlich, wirkten in ihrem abgehärmten Gesicht wie große violette Kugeln.
    Ich zeigte ihr den in Tücher gewickelten Säugling, und sie lächelte matt. »Ist das meines?«, flüsterte sie.
    »Es ist ein kleines Mädchen«, sagte ich.
    »Lina«, murmelte sie. »Eine kleine Lina. Damek sollte sich freuen.«
    Trotz meiner Erschöpfung entsetzte mich, was sie sagte. »Was hat das mit Herrn Damek zu tun?«, fragte ich. »Er ist nicht der Vater. Ich würde meinen, dass es viel eher Herrn Tibor betrifft.«
    »Tibor?«, sagte sie, als wüsste sie nicht, wen ich meinte. Sie schloss die Augen und drehte das Gesicht zur Wand. Als ich ihr das Kind hinhielt und erklärte, dass es gefüttert werden müsse, schüttelte sie gereizt den Kopf und scheuchte mich fort.
    Der Arzt zog mich beiseite und erklärte mir, dass wir eine Amme brauchen würden, da er bezweifelte, dass Lina in der Lage sein würde, das Kind zu stillen. Ich starrte ihn an und fragte ihn rundheraus, ob Lina sterben würde. Da das Kind nunmehr auf der Welt war, hatte ich in meiner Unschuld gedacht, das Schlimmste sei überstanden. Der Doktor teilte mir mit ernster Miene mit, dass die Geburt sie geschwächt und sie viel Blut verloren habe und dass Vieles von den

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