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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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sehr von ihren Anfällen als junges Mädchen, und ich nahm mich ihrer genauso an wie damals. Den Unterschied in der Art und Weise verdrängte ich aus meinen Kopf, und ich gestattete mir nicht daran zu denken, dass ihre Krankheit tödlich enden könnte.
    Das Muster der folgenden Tage lässt sich gewiss erahnen. Unsere Hoffnung wuchs und fiel mit jeder Stunde. Im einen Augenblick schien sie sich zu erholen, im nächsten erlitt sie einen Rückfall. Der Großteil ihrer Pflege fiel mir zu, teils aus eigenem Antrieb, aber auch, weil ich am besten darin war, sie im Delirium zu beruhigen. Wir stellten in ihrer Kammer ein weiteres Bett auf, damit ich dort schlafen konnte, falls sich während der nächtlichen Stunden ein Notfall ereignete. Wenngleich sie sich täglich nach Damek erkundigte, versteifte sie sich nicht auf das Thema: Es genügte, wenn ich sagte, er würde später kommen. Ich glaube, sogar Lina wusste, dass sie zu krank für eine solche Begegnung war. Manchmal erspähte ich Damek bei Einbruch der Dunkelheit draußen, wo er im eisigen Wind Wache hielt, wenngleich ihn niemand sonst bemerkte. Ich versuchte nicht, mit ihm zu sprechen, und auch er sprach mich auch nicht wieder an. Vermutlich hatte er eigene Mittel und Wege gefunden, um Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen.
    Nach jenem ersten Tag sprach Tibor kaum noch über seineGemahlin. Er stattete ihr regelmäßig morgens einen förmlichen Besuch ab, dann verließ er das Haus, um den Bau seines Kuhstalls zu beaufsichtigen, den er unbedingt fertig haben wollte, bevor die Schneefälle einsetzten. Lina jedenfalls gab ihm wenig Anreiz, bei ihr zu bleiben. Einmal brachte sie ihre Enttäuschung darüber, dass er nicht Damek war, so unverhohlen zum Ausdruck, dass er vor Wut erbleichte und aus dem Schlafzimmer stapfte. Ich hatte das Gefühl, ihn stieß abgesehen von den Unruhen, die Damek verursacht hatte, auch der Umstand ab, dass sie doch die Hexe zu sein schien, die sie Gerüchten zufolge immer gewesen war. Ich muss gestehen, dass ihn ein kleiner Teil von mir dafür verachtete und infolgedessen weniger schlecht über Damek dachte.
    Tibors Mutter traf zwei Tage nach der Geburt ein, und meine Mutter kehrte darob ins Rote Haus zurück, wenngleich sie Lina aus Sorge auch weiterhin fast jeden Tag besuchte. Die Anwesenheit seiner Mutter versprach ein zusätzliches Paar Hände im Haushalt und munterte Tibor auf, wodurch ich eine Person weniger hatte, über die ich mir den Kopf zerbrechen musste.
    Verständlicherweise verhielt sich Frau Alcahil Lina gegenüber zurückhaltend, wenngleich ihre Handlungen stets wohlmeinend waren; ich vermute, dass ihr die Kunde von Linas Unschicklichkeiten zu Ohren gekommen war. Einmal, als sie hörte, wie Lina über Damek sprach, ging sie so weit, mir gegenüber zu bemerken, es wäre keine schlechte Sache, wenn Lina stürbe. Kaum hatte sie es ausgesprochen, bekreuzigte sie sich und entschuldigte sich: Aber sie war ihres Sohnes halber wütend, und ich konnte ihr daraus keinen Vorwurf machen. Es tat mir leid, denn ich mochte sie und kannte sie als großzügige Seele. Es war weder ihre Schuld noch die von Tibor, dass sie sich in einer solch misslichen Lage befanden.
    So verging eine Woche, in der sich Linas Gesundheitszustand weder besserte noch verschlechterte. Den Großteil der Zeit war sie bei klarem Verstand, wenngleich ihre körperlichenEinschränkungen sie ungeduldig werden ließen. Manchmal mühte sie sich aus dem Bett und behauptete, es ginge ihr gut genug für einen Spaziergang, musste dann jedoch feststellen, dass sie kaum die Tür erreichte, ohne dass die Knie unter ihr einknickten. Ihre wachen Augenblicke wurden immer wieder von Wahnvorstellungen unterbrochen, in denen sie jedes Gefühl für ihre Umgebung verlor, aber die gingen immer rasch vorüber. Den Arzt beunruhigte zwar ihre mäßige Genesung, dennoch riet er zu Geduld. Ich glaube, er war verwirrt, weil sie entgegen allen Erwartungen kein Fieber entwickelt hatte und er keine Erklärung für ihre geistige Umnachtung fand.
    Während die Tage ins Land gingen, kreisten meine Gedanken wiederholt um die Worte, die der Zauberer Ezra am Morgen der Geburt zu mir gesagt hatte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er sie mit einem Fluch belegt hatte. Ich vertraute meine Gedanken niemandem an, aber meine Mutter fürchtete eindeutig dasselbe. Ohne etwas zu mir zu sagen, hatte sie Zweige mit Vogelbeeren über allen Fenstern aufgehängt, sobald sie im Haus eintraf, und sie hatte die Schwellen mit

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