Land des Todes
erneut, als könne er nicht verstehen, was darin stand. ›Du besitzt nichts mehr. Ich habe alles gewonnen, sogar die Kleider an deinem Leib, du dreckiger, diebischer Misthaufen‹, klärte Damek ihn auf. ›Du besitzt weniger als der ärmste Bettler im Dorf. Alles, was du gestohlen hast, ist nun zurückerlangt. Und jetzt verschwinde aus meinem Haus, bevor ich dich hinaustrete.‹
Maskos Gesicht hatte sich gräulich-grün verfärbt, und er war zu entsetzt, um auch nur ein Wort hervorzubringen: Und dann brach er in Tränen aus. Ich wusste nicht, was ich tun sollte! Ich verabscheue den Mann, trotzdem konnte ich ihn nicht sich selbst überlassen – und immerhin war er noch mein Master …«
Meine arme Mutter versuchte, Masko dazu zu bewegen, sich auf das Sofa zu legen, während er schluchzte und zitterte. Damek indes forderte sie auf, ihn aus dem Haus zu werfen, weil er solchen Abfall nicht auf dem Teppich haben wollte. Als meine Mutter seinen Worten keine Beachtung schenkte, wiederholte Damek gereizt seinen Befehl. Mutter wandte ein, dass ihm das Haus doch gar nicht gehöre, und so zeigte er ihr die Besitzurkunde, ausgestellt auf Damek. Als sie aufbegehrte, dass er einen Kranken doch nicht einfach so in den Schnee hinauswerfen könne, erwiderte er, Masko solle dieselbe Gnade erfahren, die er anderen gegenüber gezeigt hatte.
Masko hörte alles mit an, wusste jedoch nichts darauf zu sagen: Er saß nur da und weinte bitterlich. Meine Mutter meinte, sie hätte noch nie einen so gebrochenen Mann gesehen. Letztlich willigte Damek auf das Drängen meiner Mutter hin ein, zu warten, bis der Arzt einträfe. Man fand für Masko einen Platz in einem Haus im Dorf, wenngleich eher aus Achtung vor meiner Mutter denn aus Mitgefühl für ihn. Die Gastfreundschaft jenes Haushalts wurde indes nicht über Gebühr strapaziert, denn Masko verstarb noch in jener Nacht – und alle im Dorf fanden, er hätte seine wohlverdiente Strafe bekommen. So begegnete er seinem Tod gänzlich unbemitleidet und unbeklagt, sofern das von meiner Mutter und mir selbst empfundene Gefühl für Anstand nicht dazu zählt. Am Ende starb Masko also genauso, wie Lina es sich gewünscht hatte, als sie ihn verfluchte. Und so bekamen Damek und Lina ihre Rache.
Meine Mutter – und dafür schätze ich sie – war entsetzt von Dameks Verhalten und betrachtete ihn danach nie wieder mit denselben Augen. Jemandem so lange Freundschaft vorzugaukeln, wo keine bestand – und sogar sie hatte Dameks Schauspielerei nicht durchschaut –, und einen Todkranken im Winter vor die Tür zu setzen, zeugte von einer Gewissenlosigkeit, die ihren innersten Grundsätzen zuwiderlief. Masko mochte vielleicht einen so unschönen Tod verdient haben, meinte sie, aber das zu entscheiden, obläge allein Gott, nicht Damek. Fortan hielt sie Damek für einen Dämon und bekreuzigte sich, wann immer sie ihn sah.
Trotz allem muss man sagen, dass sich durch Dameks Inbesitznahme des Roten Hauses das Los meiner Mutter erheblich verbesserte. Ungeachtet seiner Neigung zu Rachsucht und Grausamkeit erwies er sich als gerechter Master. Die Bediensteten, die das Rote Haus verlassen hatten, wurden zurückgeholt, und weitere wurden eingestellt.
So wurde meine Mutter unverhofft zum Vorstand eines ansehnlichen Haushalts. Ihre erste Aufgabe bestand darin, Maskos sämtliche Kleidung und Wäsche zu verbrennen, was die Luft gehörig reinigte. Dameks nächster Befehl lautete, das Haus von Maskos Habseligkeiten zu befreien, die verkauft oder verschenkt wurden. Danach wurden des Masters alte Möbel aus dem Lager geholt und auch seine Bilder wieder aufgehängt. Schon bei meinem nächsten Besuch präsentierte sich das Rote Haus in seiner ursprünglichen Behaglichkeit. Dank der zahlreichen helfenden Hände hatte dies weniger als eine Woche gedauert.
Nachdem der Besitz von Maskos Gegenwart restlos befreit worden war, trat Damek seine Rolle als Herr des Hauses und, wie sich herausstellte, auch als Lord des Dorfes an.
Viele Jahre später erzählte Damek mir, dass er so weitsichtig gewesen war, um eine Audienz beim König zu bitten, bevor er nach Elbasa zurückgekehrt war. Dabei hatte er sich rückversichert, dass Masko für den Palast nicht länger von Nutzen war und man Damek als Ersatz nicht mit Missfallen betrachten würde. Das überraschte mich nicht: Mittlerweile hatte ich längst begriffen, wie kaltblütig und sorgfältig Damek bei der Verfolgung seiner Ziele vorgehen konnte.
XXXII
Die Neuigkeit von
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