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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Verhandlung geisterte noch den ganzen Abend durch Hambrocks Kopf. Beim Abendessen im Kerzenschein, dem denkbar ungünstigsten Moment für so etwas, kam er noch einmal auf die Sache zu sprechen.
    »Ich denke oft an deinen Studienkollegen, der damals in der Firma Baar gearbeitet hat. In Gertenbeck.«
    Erlend rollte mit den Augen. »Futtermittel Baar! Oh ja, da haben einige in den Semesterferien gearbeitet.«
    Während der Ermittlungen im vergangenen Sommer hatte ihm Erlend bereits davon erzählt. Futtermittel Baar war damals berühmt-berüchtigt unter den Studenten gewesen. Die Arbeitsbedingungen waren offenbar ebenso miserabel gewesen wie der Lohn. Unter den Studenten gab es wenige, die noch nie was von der Firma Baar gehört hatten. »Geh da auf keinen Fall hin«, hieß es überall. »Da wirst du wie Vieh behandelt. Ach was, schlimmer.« In den studentischen Jobbörsen tauchte das Unternehmen trotzdem immer wieder auf. Wer konnte, vermied es, dort einen Job anzunehmen. Und bedauerte die armen Schweine, die es sich nicht aussuchen konnten.
    »Ich hab ihn heute vor Gericht gesehen, den alten Baar«, sagte Hambrock.
    »Klaus Baar, der Familienpatriarch?« Erlend stieß einen Seufzer aus. »So was gönnt man wirklich keinem. Auch wenn der Typ ein Arschloch ist. Wie sah er denn aus?«
    »Wie immer. Gewicht hat er durch diese Sache jedenfalls nicht verloren. Er war als Nebenkläger da. Er und seine Tochter Nicole.«
    Hambrock wurde bewusst, dass die Familie des Opfers den Saal nicht verlassen hatte, als er Details über Marius’ Verletzungen erwähnt hatte. Das war nur die Freundin gewesen, Nathalie Brüggenthies.
    »Ich hab mich auch mal dort beworben«, sagte Erlend.
    »Bei Futtermittel Baar? Das hast du gar nicht erzählt!«
    »Ja. Als Bürohilfe. Zum Glück ist nichts daraus geworden. Ich konnte dann doch als wissenschaftliche Hilfskraft arbeiten.«
    »Ist manchmal von Vorteil, Einserkandidatin zu sein, nicht wahr?«, meinte er mit einem Grinsen. »Hast du da den alten Baar kennengelernt?«
    »Das ist schon zwanzig Jahre her. So alt war der damals gar nicht. Er wollte mich sogar einstellen. Er fand meinen holländischen Akzent wohl irgendwie süß. Aber ich hab mir da schon gedacht, das ist nichts. Auch wenn der zu mir ganz nett war. Da war eine seltsame Atmosphäre in dieser Firma. Irgendwie hatte es was Düsteres.« Sie seufzte. »Na, jedenfalls war es im Büro sauber und ordentlich. Die Jungs, die draußen in der Absackanlage gearbeitet haben, hatten da weniger Glück.«
    Hambrock überlegte, ob er diesen Studienkollegen ausfindig machen und ihn nach seinen Erfahrungen im Unternehmen Baar befragen sollte. Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Wozu sollte das gut sein?
    »Morgen repariere ich den Küchenschrank«, sagte er. »Das habe ich mir fest vorgenommen.«
    Erlend betrachtete ihn amüsiert. »Geht morgen nicht die Verhandlung im Landgericht weiter?«, fragte sie.
    Er lachte. »Ich weiß schon, was du sagen willst.«
    »Mit den Gedanken bist du doch den ganzen Abend bei der Geschichte. Wenn du schon frei hast, kannst du doch als Besucher zur Verhandlung gehen. Andere würden ins Kino gehen, aber das ist ja egal. Diese Sache mit dem jungen Baar lässt dich jetzt eh nicht mehr los.«
    »Aber das ist es ja. Ich will ausspannen. Mit den Händen arbeiten. Wofür hat man denn sonst frei?«
    Erlend sagte nichts. Sie lächelte nur.
    »Ich repariere morgen den Küchenschrank«, sagte er. »Das ist mein letztes Wort.«
    Und dabei sollte es auch bleiben.

7
    Draußen hinter den Zugfenstern zog die Landschaft vorüber. Ein weiterer sonniger Abend im Münsterland. Marius Baar blickte auf die Uhr. Es war noch früh, er würde es rechtzeitig zum Abendessen nach Hause schaffen. Lust hatte er zwar nicht, aber für seine Mutter war es ein wichtiges Ritual: Mit dem gemeinsamen Abendessen konnte man sich selbst und der Welt vorspielen, man hätte eine intakte Familie. Nachdem er in letzter Zeit so selten dabei gewesen war, wollte er wenigstens pünktlich sein, um ein wenig die Wogen zu glätten.
    Seine Eltern wussten nach wie vor nichts von Nathalies Existenz. Zuerst hatte Marius vermutet, Nicoles Freundin hätte doch nichts gesagt. Aber die Blicke seiner Schwester verrieten etwas anderes: Sie wusste Bescheid. Wahrscheinlich überlegte Nicole noch, was sie mit dieser Information anstellen sollte und wie sie diese Karte am besten gegen ihn ausspielen konnte. Aber gegenwärtig hielt sie den Moment offenbar noch nicht für

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