Landgericht
Wochen würde er sich nicht mehr mit ihr auseinandersetzen müssen.
Sie schien zu bemerken, dass er nicht darauf eingehen würde, und änderte ihre Strategie.
»Wann stellst du ihm deine Freundin vor?«, fragte sie. »In den Semesterferien?«
Nun blieb Marius doch stehen. Er wandte sich um. Nicoles Gesicht hatte sich wieder in das einer Sphinx verwandelt.
»Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht«, sagte er.
»Ich frage ja nur. Bestimmt würde es ihn interessieren, wenn du eine feste Freundin hast. Du bist schließlich der Unternehmenserbe.«
»Was willst du, Nicole? Mich verpfeifen? Ist es das?«
»Ach so? Heißt das, du bist tatsächlich noch mit ihr zusammen? Hätte ich gar nicht gedacht.«
»Und wenn es so wäre? Was willst du dann tun?«
»Du musst sie Vater und Mutter vorstellen.«
»Den Zeitpunkt bestimme ich.«
Nicole betrachtete ihn. »Also habe ich recht. Es ist dir ernst mit ihr. Du hast tatsächlich eine richtige Freundin.« Ein spöttisches Lächeln. »Interessant. Es musste also erst eine… na ja, so eine wie sie kommen. Deine bisherigen Freundinnen konntest du ja nicht lange halten. Frauen aus einer anderen Liga als diese… na ja.«
Marius schluckte mühsam seine Wut herunter.
»Versprüh dein Gift woanders, Nicole. Ich habe keine Zeit für so was. Wenn du mich verpfeifen willst, dann tu das. Ich halte dich nicht davon ab.«
Hätte es ihr einen konkreten Vorteil gebracht, dann hätte sie ihn sicher längst auffliegen lassen. Sie verschwieg die Geschichte mit Nathalie, um sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen. Sollte sie doch. In zwei Wochen würde sie ohnehin die Unternehmenserbin werden. Und diese albernen Ränkespiele zwischen ihnen wären ein für allemal vorbei.
Nicole trat näher und verschränkte die Arme.
»Ich sage Vater nichts davon, weil sich die ganze Geschichte ohnehin bald erledigt hat. Warum also unnötig Panik machen? Guck dich doch an, Marius. Weshalb sollte eine Frau bei dir bleiben? Sieh mal in den Spiegel. Du bist ein Loser. Das warst du schon immer. Deshalb ist keine länger als ein paar Wochen geblieben. Das wird sich bei dieser hier auch nicht ändern.«
»Du kannst es nur nicht verwinden, dass du die Nummer zwei bist. Tja, Pech gehabt, Nicole. Leider hast du keine Eier in der Hose, und unser alter Herr ist da nun mal konservativ.«
Ihre Augen wurden zu Schlitzen. »Ich hab zehn mal mehr Eier in der Hose, als du jemals haben wirst«, zischte sie.
Doch dann gewann sie die Kontrolle über sich zurück und lächelte ihn an. »Spiel nur mit deinem Flittchen, so lange du noch kannst. Falls sie nicht längst einen anderen hat.«
Das war zu viel. Die Wut überrollte ihn nun doch. Ganz plötzlich. Er wollte ihr weh tun. Holte zum Schlag aus. Erst in allerletzter Sekunde besann er sich. Seine Hand blieb in der Luft stehen, wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht.
In ihren Augen loderte es, und er zog seine Hand zurück.
»Mach nur, schlag mich«, flüsterte sie. »Dann kann ich dich endlich fertigmachen.«
»Ich hätte große Lust dazu, glaub mir. Doch den Gefallen tu ich dir nicht.«
Sie schnaubte verächtlich. Marius drehte sich um und ging zurück zu seinem Zimmer. Die Lust auf Chips war ihm vergangen. Er wollte nur noch die Tür hinter sich schließen. Vom Zimmer aus warf er einen Blick zurück. Nicole stand noch immer im Flur. Sie lehnte mit verschränkten Armen an der Wand.
»Was findet sie nur an dir?«, fragte sie. »Kannst du das etwa beantworten?«
»Verpiss dich«, blaffte er und warf seine Zimmertür hinter sich ins Schloss.
19
Im Pförtnerhäuschen hatte Irene Böhm es sich mit Kaffee und Streuselkuchen und der Tageszeitung gemütlich gemacht. Als sie Hambrock an der Schleuse entdeckte, betätigte sie den Türöffner und winkte ihn zu sich heran.
»Hambrock, guten Morgen«, sagte sie. »Das hat sich ja schnell erledigt mit den freien Tagen. Tut mir leid für euch.«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was soll’s. Mir war ohnehin schon langweilig geworden.«
»Da ist jemand für dich. In der Lobby.« Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Ein junger Mann. Du bist bei der Jugend wirklich gefragt in letzter Zeit.«
Hambrock rechnete mit Fabio. Offenbar gab es wieder Schwierigkeiten. Er lugte hinüber zur Sitzgruppe an der Fensterfront. Doch es war nicht Fabio, der dort auf ihn wartete. Stattdessen hockte da ein junger Mann in einer schwarzen Kutte. Die langen Haare hingen ihm ins Gesicht, und aus den Ohrstöpseln
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