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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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sagst, der hat sich für Marius interessiert … ihn beobachtet … wie muss ich mir das vorstellen?«, fragte Hambrock.
    »Na, er hat sich immer so hingesetzt, dass er Marius im Auge behalten konnte. Er hat ihn oft beobachtet. So kam es mir zumindest vor. Kann aber auch sein, dass ich mir das nur einbilde. Wenn er nicht nach seinem Tod verschwunden wäre, hätte ich vielleicht gar nicht mehr darüber nachgedacht. Aber als der gestern im Zug saß, da hab ich mich fast zu Tode erschrocken. Als wäre jemand über mein Grab gegangen. Da hab ich gedacht, ich muss den fotografieren. Und dann muss ich Ihnen davon erzählen. Verstehen Sie?«
    Hambrock betrachtete das Foto. »Kannst du dich erinnern, ob der auch in Gertenbeck ausgestiegen ist? In der Nacht, in der es passiert ist?«
    »Nein. Der ist in Buldern ausgestiegen. Das ist eine Station vor Gertenbeck.«
    »Tatsächlich? Bist du dir sicher?«
    Michael nickte. »Ganz sicher. Weil Marius den angemacht hat, als der ausgestiegen ist.«
    Hambrock überlegte, ob der Mann möglicherweise ausgestiegen und in ein anderes Abteil wieder eingestiegen war, um nach Gertenbeck weiterzufahren. Aber das war sicher etwas zu weit hergeholt.
    Michael hatte ein schlechtes Gewissen und war deshalb übereifrig. Wahrscheinlich hatte dieser Mann mit der Sache nichts zu tun.
    »Danke, dass du hergekommen bist«, sagte Hambrock. »Das Foto hätte ich gerne. Vielleicht hilft es uns weiter.«
    Michael wirkte erleichtert. »Ich schicke es Ihnen gleich.«
    »Trotzdem wird dein Verhalten ein Nachspiel haben. Und nicht nur für dich, das weißt du hoffentlich. Auch für die drei Angeklagten.« Er deutete auf das Handy. »Es war richtig von dir, herzukommen. Aber damit ist es nicht wiedergutgemacht. So einfach ist das leider nicht.«
    Etwas zerknirscht machte sich Michael auf den Heimweg. Hambrock ging nach oben in sein Büro. Auf dem Flur war Leben eingekehrt. Überall standen wieder die Türen offen, und in den dahinter liegenden Büros saßen die Kollegen am Schreibtisch vor ihren Computern. Im Vorbeigehen grüßte er nach links und rechts, dann betrat er sein eigenes Büro.
    Er hängte die Jacke an den Haken, ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen und dachte nach. Schließlich griff er nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer von Fabios Großmutter. Am anderen Ende läutete es zahllose Male. Gerade als er aufgeben wollte, nahm doch noch jemand das Gespräch entgegen.
    »Ja, was gibt’s?«, blaffte eine verrauchte Männerstimme. »Wer ist da?«
    »Bernhard Hambrock. Ich würde gerne mit Fabio sprechen.«
    »Mit wem?« Schleimiges Abhusten am andern Ende. »Hier gibt’s keinen Fabian. Sie haben sich verwählt.«
    »Ich …« Weiter kam er nicht. Die Leitung war tot.
    Was war denn das? Er drückte auf Wahlwiederholung. Der Mann, mit dem er gesprochen hatte, musste einer der Liebhaber der Oma sein. Jedenfalls hatte Hambrock sich nicht verwählt.
    »Was ist denn noch?«, meldete die Stimme sich genervt. »Hier gibt’s keinen Fabian. Verflucht noch mal, lassen Sie uns in Ruhe.«
    »Marion Terbrink? Sagt Ihnen der Name vielleicht etwas?«
    Zögern. Dann erklang ein Husten. »Wieso wollen Sie das wissen?«
    »Fabio ist ihr Enkelsohn. Er wohnt auch in der Wohnung.«
    Ein Poltern in der Leitung. Dann hörte Hambrock, wie der Mann durch die Wohnung schrie: »Hey, Süße. Hast du einen Enkel? Fabian oder so?«
    Im Hintergrund eine Frauenstimme, die etwas Unverständliches krächzte.
    »Der ist nicht da«, sagte der Mann zu Hambrock.
    »Fragen Sie bitte, wann ich ihn wieder erreichen kann.«
    Wieder wurde durch die Wohnung gebrüllt. Hambrock schnappte Ausdrücke auf wie »elender Bastard« und »verfluchte Missgeburt«. Dann war der Mann wieder am Apparat.
    »Keine Ahnung, wann der zurückkommt. Versuchen Sie’s in einer Woche noch mal. Also dann. Ich lege jetzt auf.«
    »Bitte sagen Sie Frau Terbrink …«
    »Er ist nicht da! Haben Sie’s langsam? Ich bin seit zwei Tagen hier und hab den kleinen Bastard noch nicht gesehen. Ich wusste nicht mal, dass es den überhaupt gibt. Also, lassen Sie uns jetzt in Ruhe.«
    Und damit war das Gespräch beendet. Hambrock betrachtete nachdenklich den Hörer, dann hängte er ein. Fabio war also in den letzten zwei Tagen nicht zu Hause gewesen. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte ihn doch für ein paar Nächte bei sich aufgenommen.
    Guido Gratczek tauchte in der Tür auf. Heute wieder tadellos gekleidet und mit perfekt sitzendem

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