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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Krawattenknoten.
    »Teamsitzung in einer halben Stunde«, sagte er. »Ist das in Ordnung für dich?«
    »Natürlich. Kannst du mir bis dahin einen Gefallen tun?«
    Er nickte. »Ich höre.«
    Hambrock zog sein Smartphone hervor und rief das Foto auf, das Michael ihm inzwischen geschickt hatte: der Fremde im Zug.
    »Sieh mal, ob du damit was anfangen kannst. Vielleicht erzielst du einen Treffer in den Datenbanken.«
    Gratczek nahm das Handy. »Gerne. Ich bring dir das Gerät gleich wieder.«
    »Und mach mir einen Abzug davon. Auf Papier. Ich möchte den Leuten etwas unter die Nase halten können.«
    Gratczek zeigte den erhobenen Daumen und verschwand im Flur. Hambrock war wieder allein. Er dachte an Fabio. Wo mochte sich der Junge in den letzten Nächten aufgehalten haben? Es war empfindlich kalt draußen. Und für die kommenden Nächte war sogar Bodenfrost vorhergesagt worden.
    Er überlegte, ob er nach Coerde fahren sollte, um Marion Terbrink einen Besuch abzustatten. Einmal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden und danach versuchen herauszufinden, wo sich Fabio aufhalten könnte. Doch dann verwarf er den Gedanken. Er hatte andere Probleme, und Fabio war nicht sein Sohn. Der Junge würde sich schon melden, wenn er Hilfe brauchte.
    Nach der Teamsitzung nahmen sich Hambrock und Keller einen Dienstwagen und fuhren nach Gertenbeck. Es ging darum, noch einmal mit der Familie Baar zu sprechen. Das war kein einfacher Besuch für die Kommissare, denn durch diese neuen Entwicklungen wurde alles noch einmal aufgewühlt. Unsicherheit entstand. Alte Wunden rissen auf. Und ganz nebenbei verschlechterte sich für die Nebenklage die Situation im Prozess. Michaels unerwartete Aussage machte es für die Anwälte nicht einfacher. Ihnen ging es darum, den Angeklagten vorsätzliche Tötung nachzuweisen. Sie sollten wegen Mordes verurteilt werden, nicht wegen Totschlags. Diese Strategie war ohnehin nicht sehr aussichtsreich gewesen. Nach dieser neuerlichen Wendung standen die Chancen dafür noch schlechter.
    So verlief das Gespräch mit dem Familienpatriarchen denkbar unangenehm für Hambrock und Keller. Klaus Baar sparte nicht mit Vorwürfen. Er warf ihnen schlampige Ermittlungen und inkompetente Polizeiarbeit vor, auf eine Art und Weise, als würde er Mitarbeiter seiner Firma abstrafen.
    Nachdem alle Versäumnisse der Polizei durchexerziert waren und Hambrock und Keller demütig jeden Vorwurf über sich hatten ergehen lassen, versuchten sie schließlich herauszufinden, ob Klaus Baar einen Verdacht hatte. Falls tatsächlich ein unbekannter Dritter am Tatort gewesen war, musste der ein Motiv für den Mord gehabt haben. Doch der Patriarch wollte nichts davon hören. Er konnte sich so ein Szenario nicht vorstellen. Lieber wollte er glauben, dass die Zeugenaussage dieses Gertenbecker Gymnasiasten reine Phantasie war.
    Auf dem Weg zurück zum Firmenparkplatz, wo sie den Dienstwagen abgestellt hatten, trafen sie auf Roland Baar. Der Junge kam offenbar gerade aus der Schule. Mit dem Ranzen unterm Arm schlurfte er zum Haupteingang der Firma. Als er die beiden Kommissare auf dem Gelände entdeckte, erschrak er sichtbar. Steif ging er auf sie zu.
    »Haben Sie meinem Vater etwa gesagt, was ich getan habe?«, fragte er. »Das mit der Taube?«
    »Nein, noch nicht. Aber wir brauchen deine Hilfe.«
    Er warf einen Blick zum Gebäude hinüber.
    »Kommen Sie, ich begleite Sie zum Parkplatz«, sagte er dann und ging voran. Offenbar ließ sich der Parkplatz vom Büro seines Vaters aus nicht einsehen.
    Am Dienstwagen der beiden Polizisten angekommen, blickte der Junge wieder zum Gebäude. Er schien sich hier wohler zu fühlen, richtig entspannt wirkte er jedoch nicht.
    »Was wollen Sie von mir wissen?«, fragte er.
    »Du hast die Neuigkeiten schon erfahren?«, fragte Keller.
    »Die Sache mit Michael? Ja, natürlich.«
    »Kennst du ihn? Persönlich, meine ich.«
    »Nein. Ich geh ja in Münster zur Schule. Und der Typ kommt nicht aus Gertenbeck, sondern von außerhalb. Den hab ich noch nie vorher gesehen.«
    »Also gut. Stell dir mal vor, er hat recht mit dem, was er sagt. Marius hat noch gelebt, als die Typen geflohen sind. Dann muss da noch einer gewesen sein. Einer, der deinem Bruder den finalen Tritt gegeben hat.«
    Panik flackerte in seinem Blick auf. »Und da denken Sie jetzt, das war ich?«
    Das dachte Hambrock zwar keineswegs, aber wenn es Roland unter Druck setzte – bitte schön.
    »Wer soll es sonst gewesen sein?«, meinte er. »Wer außer dir hat

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