Landleben
eine gute Ehefrau sein.
Ich bin auch ein Mensch, verstehst du?»
«Baby!» Er ging zu ihr, plötzlich getroffen; ein Bild,
zweidimensional in seinem Kopf, hatte plötzlich eine drit-
te Dimension bekommen; er hatte vergessen, dass sie ein
Mensch war, er bewunderte sie auf so abstrakte Weise, als
Bild aus seiner Vergangenheit, als eine verblasste Route
zu seinen gegenwärtigen Umständen. Er umarmte sie; ihr
Gesicht, fast in gleicher Höhe wie seines, fühlte sich heiß
an; beider Gesichter schienen den Tränen nahe. «Du bist
über menschlich», sagte er zu ihr, in der Hoffnung, sie brä-
chen beide in Gelächter aus. Als das nicht geschah, sagte
er: «Lass uns eine Verabredung treffen. Ich glaube, heute
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ist es schwierig; ich muss im Büro auf meinen Terminka-
lender gucken.»
«Du hast keine Lust», sagte Phyllis und hatte, wie im-
mer, Recht. «Ich bin nicht übermenschlich, ich bin in jeder
Hinsicht eine Niete, außer dass ich vier gesunde Kinder
zur Welt gebracht habe. Aber auch bei ihnen hab
ich nicht
viel bewirkt. Wir lassen sie wie Unkraut schießen.»
Darin lag ein Körnchen Wahrheit, doch dagegen hätte
er die unzähligen gewohnheitsmäßigen elterlichen Ges-
ten setzen können: die Hilfe bei den Hausaufgaben, das
abendliche Gutenachtsagen, das auswendig hergesagte
Gebet, damit ihre ängstlichen kleinen Seelen die Nacht
bis zum Morgen überstanden, die Familienausflüge nach
Nantucket, nach Disney World und zur Expo 67 in Mon-
treal, die Sommerhäuser in Maine, die zahllosen bezahlten
Unterrichtsstunden, die zahllosen Abendmahlzeiten, die
sie in mehr oder weniger ausgelassener Fröhlichkeit ein-
nahmen. Von außen gesehen, durch die Fenster des war-
men und teuren Hauses in der Partridgeberry Road, nach
den Schaukeln und den Eishockey-Schlittschuhen und
den Puppenhäusern und den Golfschlägern zu urteilen,
die sich im Keller fanden, waren Owen und Phyllis ihrer
Rolle als Eltern gerecht geworden, doch sie hatten nicht,
wie manche Eltern – vielleicht auch wie Owens eigene El-
tern – durch ihre Kinder gelebt, sie hatten nicht den Sprung
aus dem Ego heraus in die DNS-Kette gemacht. Ian und
Alissa zum Beispiel hatten sich nach einem steinigen Ab-
schnitt ganz auf die Wünsche und Bedürfnisse von Nina
und ihren beiden älteren Kindern gestürzt. Owen und
Phyllis waren sich ähnlich darin, dass ihr Lieblingskind das
Kind in ihnen war, das immer noch nach Aufmerksamkeit
verlangte. «Morgen», versprach er ihr. «Mir ist gerade ein-
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gefallen, dass heute der Tag ist, an dem ich mich mit Ed
zum Mittagessen treffe. Er ist in letzter Zeit so düster.»
«Morgen spiele ich Tennis im Club, mit Alissa, Vanessa
und Imogene. Nur dass Imogene nicht kann und Trish als
Ersatz schickt.»
«Dann übermorgen», sagte er, «oder abends, wenn Floyd
und Eve im Bett sind.» Gregory war in seinem zweiten Jahr
am Brown College, Iris im ersten Jahr am Smith.
«Abends bin ich zu fertig», sagte Phyllis. «Und übermor-
gen habe ich schon längst vergessen, worum es eigentlich
ging.«
«Worum geht es denn eigentlich?», fragte er sie.
«Darum, dass ich dich Hebe?», sagte ie schüchtern
s
.
Er machte aus ihrer Frage eine Feststellung: «Und ich
liebe dich.» Bei sich dachte er: Ich zerstöre das Leben dieser
Frau.
«Es ist diese verdammte Stadt», sagte sie verdrossen.
«Wohin man sich auch wendet, sie ist immer da und mischt
sich ein.»
«Es ist nur eine Stadt», sagte er.
«Nein, Owen, das stimmt nicht. Die Leute in dieser
Stadt haben nicht genug zu tun und machen lauter Un-
fug.»
«Nun ja, das ist der Wo l
h stand», sagte er zu ih .
r «Hättest
du Lieber den Kommunismus?»
Seit einiger Zeit schon dachte Owen, dass er die Affäre
mit Vanessa abbrechen musste, bevor sie explodierte und
noch einmal ein Chaos entstand wie nach Faye. Er konnte
nicht tief genug in die seltsame Ehe der Slades gucken,
doch er glaubte, dass sie, wie seine eigene auch, offene
Untreue nicht vertrüge. Schließlich war dies keine Hippie-
Kommune, kein von Felsen umgebener republikanischer
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Partnertausch-Club in den schneebedeckten Bergen des
nördlichen Mittleren Westens. Ein den Takt wahrendes
Gespinst von Anziehung und unerklärten Liebschaften
lag über diesen Menschen an der Ostküste. In letzter Zeit
hatte Owen sich zu Imogene Bisbee hingezogen gefühlt,
eine beachtliche Trinkerin mit einer heiseren Whiskey-
stimme und ergrauendem rabenschwarzem
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