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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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das Krankenhaus sie aufgenom-
    men und sich ihrer Schmerzen und Ängste angenommen.
    Die intensiven allseitigen Beziehungen innerhalb ihres
    Freundeskreises schlössen eine Identifizierung mit der All-
    gemeinheit nicht aus. Owen mochte das alternde kommer-
    zielle Sammelsurium der River Street und sah seine Firma
    als ein Kapitel in der industriellen Geschichte der Stadt. Er
    und Phyllis hatten viele Male, wenn eines der Kinder teil-
    nahm, bei Sportveranstaltungen der Highschool mitgeju-
    belt. Ein Slogan, der mit vielfachem energischem Recken

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    des Arms und Schütteln der Pompons der weiß besockten
    Cheerleader gerufen wurde, ging so: «Nicht zu dick und
    nicht zu dünn, Middle Falls ist mittendrin! Nicht zu groß
    und nicht zu klein, Middle Falls wird –» Zeigefinger hoch
    erhoben und wackelnd – «siegreich» – ausholende Arm-
    bewegung, die Finger gespreizt – «sein!» Seit Owen als
    parteiischer Teenager an der Willow High mitgeschrien
    hatte, waren ein paar schlitternde Tanzbewegungen, ein
    Vermächtnis der sechziger Jahre, dem appellierenden Ar-
    mewedeln und den Spreizsprüngen der jungen Mänaden
    in ihren Faltenröckchen und großen Pullovern hinzugefügt
    worden, doch ihm fiel auf, wie von Grund auf konserva-
    tiv die jugendlichen Riten waren – die gleichen abgerisse-
    nen Rufe im Freien, der gleiche melancholische Duft von
    aufgeworfener Erde, der vom Football- oder Soccerfeld zu
    den Seitenlinien drang, die gleiche Hoffnung eines jeden
    Stammes, dass der Sieg heute ewig währenden Sieg bedeu-
    tete, in dem großen Spiel, das das Leben war.
    Das Fundraising war erfolgreich verlaufen, Einwohner
    des gesamten sozialen Spektrums hatten sich beteiligt.
    Bei glücklichem Aprilsonnenschein fand eine triumphale
    Endveranstaltung auf dem Hof des Krankenhauses statt.
    Es war ein Wagnis gewesen, die Party für die Mitarbeiter
    und die bedeutenden Spender draußen abzuhalten, aber
    es waren so viele, und die verstaubten Empfangsräume im
    Obergeschoss des Rathauses hätten dem Ganzen eine zu
    trostlos offizielle Atmosphäre gegeben, während die Räu-
    me im Erdgeschoss des dreistöckigen, im georgianischen
    Stil gebauten Bundeshauses, in dem der Geschichtsverein
    untergebracht war, zu elitär gewirkt hätten. In der son-
    nenbeschienenen Menge des Spätnachmittags entdeckte
    Owen sogleich Trish Oglethorpe. Obwohl er sich abwandte

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    und sie meiden wollte, kam sie auf ihn zugeeilt. «Owen!
    Ich sehe dich ja nie mehr!»
    «Ich bin noch da.»
    «Ich meine, um mit dir zu reden.»
    Wie zur Entschuldigung sagte er: «Wir haben uns wohl
    den Winter über ein bisschen verkrochen.» Wir. er und
    Phyllis, Mann und Frau, mehr und zugleich weniger als
    eine wirkliche Person.
    «War das nicht schrecklich! So viel Schnee! Dwight sagt,
    wir sollten nach Nord- oder Süd-Carolina ziehen. Beson-
    ders jetzt, nachdem der Leinenzwang für Hunde so viel
    strenger geworden ist.» Ihre streunenden Golden Retrie-
    ver hatten, wie jeder wusste, Katzen der Nachbarn getötet
    und in einiger Entfernung einen Reitstall überfallen und
    sich an dem Pferdefutter in der Krippe gütlich getan.
    Trish hatte eine neue, zerzauste Frisur; von den zedern-
    holzfarbenen Strähnen flogen Funken im Sonnenlicht. Ihr
    getupftes Kleid war von altmodisch gewagter Kürze; ihre
    dünnen Beine mündeten in Schnallenpumps aus weißem
    Lackleder mit breiter Kappe. Sie sah aus, als wäre sie einem
    Comic entsprungen, und Owen hatte immer eine Schwä-
    che für Comics gehabt. «Was führt dich her?», fragte er.
    «Wusstest du das nicht? Vanessa hat mich überredet, für
    jemanden in ihrem Spendenkomitee, der ausgestiegen ist,
    einzuspringen. Sie

    ist eine Sklaventreiberin, ich kann dir
    sagen.»
    «Das höre ich öfter.»
    «Aber außerdem ist sie eine richtige Mutterglucke.
    irk-
    W
    lich erstaunlich, wie sie all das schafft, was sie schafft.»
    «Ja», sagte er zustimmend und überlegte, was sie wohl
    gemeint hatte. In Erinnerung an das Gespräch bei den Bis-
    bees im vergangenen Herbst, das Trish, wie es schien, mit

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    einer Begeisterung aufgriff, die sie damals nicht bekundet
    hatte, sagte Owen zu ihr: «Damals sprachen wir von Frau-
    en, die als Gefängniswärterinnen arbeiten, jetzt haben wir
    eine Frau als Vorsitzende einer Partei.»
    «Ja», sagte Trish. «Zu schade, dass sie eine Konservative
    ist.»
    «Dann bist du jetzt gegen die Konservativen?»
    «Nur, wenn es die langweiligen Töchter eines Kauf-
    manns sind», sagte Trish

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