Landleben
sorgte dafür, dass sie, mit Owen im Schlepptau,
die richtigen Leute kennen lernte und im Laufe der Zeit
den richtigen Clubs beitrat. Während so die Jahreszeiten
Neuenglands malerisch durch Haskells Crossing zogen und
das Ungemach der sechs Kinder der Mackenzies – vier von
ihm, zwei von ihr – vertraulich erzählt, dann beschwichtigt
und freundlich weggelächelt wurde, während ein Begräb-
nis nach dem andern gemeinsame Bekannte der ewigen
Ruhe anheimgab, war Bumpy immer zugegen. Mit Mitte
achtzig wurde sie auffallend dünner und schwächer; Haar-
ausfall nötigte sie, eine Perücke zu tragen, worüber sie die
komischsten Bemerkungen machte – mit Julia debattierte
sie, ob Pfirsich oder Aprikose der geschmackvollste Farbton
sei. Noch als sie mit Atembeschwerden ins Krankenhaus
gebracht wurde, war die alte Frau fröhlich gewesen, und als
Julia sie das letzte Mal besuchte, konnte sie sich nicht hal-
ten vor Lachen, weil Bumpy ihr die komische Seite eines
Sturms im Wasserglas in der Altargilde verdeutlichte, den
Julia als eine der Hauptstützen der Gilde zu ernst genom-
men hatte. Als das Licht in den Fenstern schwand, sank
Bumpy auf ihr Kissen und tätschelte Julias Hand mit ihrer
eigenen runzeligen Hand. Sie beteuerte, dass sie ihre neue
Medizin mochte und dass sie in der Reha-Klinik auf der
anderen Seite von Cabot City wieder zu Kräften kommen
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werde. Sie sei deprimiert gewesen, aber sie spüre, dass ihre
Lebensgeister zurückkehrten.
Deshalb verkündete Julia Owen mit der verletzten, un-
gläubigen Stimme eines hinters Licht geführten Kindes,
nachdem sie früh am nächsten Morgen einen Anruf ent-
gegengenommen hatte und wieder ins Schlafzimmer kam:
«Bumpy ist gestorben!» Tränen standen ihr in den Augen
und machten das Aquamarinblau noch leuchtender. Julia
gehörte zu den Frauen, die auch in den schlimmsten Au-
genblicken nicht weinten.
Middle Falls hatte schon andere Skandale und Trennungen
erlebt, aber dies war von einer neuen Größenordnung – die
Frau eines Geistlichen und eine kühl arrangierte Dop-
peltrennung. Der fünfzehnjährige Floyd, Owens zweiter
Sohn und sein drittes Kind, benannt nach dem Großvater
väterlicherseits, brachte aus der Schule die Neuigkeit mit
nach Hause, dass ausgerechnet Pfarrer Larson und seine
Frau im Begriff waren, sich zu trennen. Jennifer Pajasek,
ein Mädchen in seiner Klasse, die manchmal bei den Lar-
sons auf die Kinder aufpasste, habe gesagt, die beiden hät-
ten viel gestritten und die
e
Kind r – ein Mädchen und ein
Junge – seien ganz verstört.
Floyd konnte nicht ahnen, als er diese Neuigkeit seinem
Vater mit einer Stimme berichtete, in der verwirrte, erregte
Unschuld mitschwang, dass diese Neuigkeit ihn selbst be-
traf, der erste Riss eines Verhängnisses, das bald über ihn
kommen sollte. Die Ereignisse hatten in einem Pfarrhaus,
zwei Meilen von ihnen entfernt, stattgefunden. Owen war
in jenen Krater des Unabwendbaren gezogen worden, des-
sen Rand so viele Jahre zuvor durch den Knall markiert
wurde, als Danny Hoffman vor Morgengrauen den Abzug
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des .38er Army-Colts seines Vaters drückte. Diesmal war
es um halb fünf an einem sonnigen Septembernachmittag,
am Küchentisch des Hauses der Mackenzies in der Part-
ridgeberry Road, mit sechs Schlafzimmern und vier Bade-
zimmern, aber der Bereich war derselbe, der Bereich unwi-
derruflichen, realen Schadens. Er war der Henkermeister
seines eigenen Kindes. Die Waffe war noch hinter seinem
Rücken verborgen, aber in wenigen Tagen würde sie her-
vorgezogen und abgefeuert werden müssen. Sein Sohn
würde, wie Buddy Rourke, vaterlos werden, weil sein Va-
ter ausgebrochen war. Phyllis wusste es schon. Bald wüss-
te es die ganze Stadt. Es gab kein Versteck, kein Zurück.
Auf der anderen Seite der Küchenfenster erklang das Lied
schuldlosen Lebens, so fern von menschlicher Schuld wie
ein Traum – Stare zwitscherten, während sie sich in Scha-
ren für den Abflug sammelten, Insekten zirpten unsicht-
bar, der Sommer beendete seine Geschäfte.
Julia ging voraus – sie war die Erste, die es erzählte, die
erste, die sich trennte, die Erste, die sich scheiden ließ. Ob-
wohl Owen sie begehrte und in ihr seine Chance sah, sich
in ungefährdete eheliche Fleischeslust und Gehorsamkeit
einzugewöhnen, hätte er womöglich endlos gezögert und
die Frauen in der Luft hängen lassen, wie ein Jongleur sei-
ne bunten Bälle, hätte Julia
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