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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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durch eine brusthohe Trenn-
    wand von Eds getrennt war, bot keine Privatsphäre, und
    wenn Phyllis außer Haus war, dann waren da noch Grego-
    ry und Iris, jetzt acht und fast sieben, mit großen Ohren
    und der arglosen Neugier von Kindern. Faye anzurufen
    war, verglichen mit einem Flirt mit ihr, ein ernster, unum-
    kehrbarer Schritt; man konnte es nicht als etwas anderes
    darstellen oder als einen Teil normalen Lebens abtun. Er
    schob es mehrere Tage hinaus und tat die zum normalen
    Leben gehörenden Dinge mit einem Kribbeln im Körper
    und einem benommenen, schuldbewussten Kopf – schuld-

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    bewusst hauptsächlich gegenüber Faye, weil er auf ihr un-
    missverständliches Angebot nicht einging. Wenn er sich
    neben Phyllis schlafen legte, wirbelten in seinem Kopf
    Teile der anderen Frau umher – die inneren Wölbungen
    der zwei scheuen, flachen Brüste, die ein bestimmtes, tief
    ausgeschnittenes Kleid offenbarte, der glasige, kühne Blick
    ihrer trübgrünen Augen, wenn sie ein bisschen zu viel ge-
    trunken hatte, die vor Nervosität feuchtwarme Hand, wenn
    sie seine berührte, der Ausdruck, den ihr Gesicht annahm,
    wenn sie erregt und belustigt war, ganz Augen und Mund,
    und dann das ironische Kräuseln der Lippen, wenn sie jäh
    ein Lächeln abbrach. Er hatte Mühe zu schlafen und gab
    Phyllis die Schuld. Er hatte das Gefühl, wenn Faye nur ne-
    ben ihm läge, würde er auf der Stelle einschlafen. Es war
    wie damals, als er sich neben Ginger Bitting auf dem Dach
    des Schuppens am Spielplatz ausstrecken wollte.

    Es gab an verschiedenen Stellen in Middle Falls öffentliche
    Telefone. Schließlich wählte er eines am Rande der Stadt,
    nach Upper Falls hin, an dem Stück des Highway, wo frü-
    her Obstgärten und Milchfarmen gewesen waren und sich
    nun Fast-Food-Kettenlokale ausbreiteten sowie Discount-
    läden in Schlackensteinbaracken, die Fußbodenbeläge und
    Kacheln verkauften. Lastwagen donnerten vorbei, sie er-
    stickten die schwachen, kratzigen Worte am anderen Ende
    der Leitung und pusteten spätsommerlichen Straßenstaub
    in Owens Lungen. «Hallo?» Es war Faye, er war sich sicher,
    ihre Stimme, körperlos, hatte ein Altstimmentimbre, das
    ihm nie u
    a fgefallen war,
    e
    ein Gelbfärbung, Gegenpol zu
    dem hohen Fledermausschrei ihrer Lache.
    «Hier ist Owen Mackenzie», sagte er, für den Fall, dass
    jemand anders zuhörte. Wenn das so war, würde ihre ge-

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    dämpfte Stimme ihm das mitteilen, und er würde fragen,
    ob er neulich abends zufällig seine Lesebrille habe liegen
    lassen, als sie zu viert, spontan nach dem Volleyball, bei
    ihnen mit ihren Kindern Pizza gegessen hatten. Es sei eher
    unwahrscheinlich, würde er weiter sagen, aber er habe überall
    sonst nachgesehen, und es mache ihn noch ganz verrückt. Als sie
    schwieg, fing er an: «Ich rufe an, um zu fragen, ob ich zufäl-
    lig meine Lesebrille –»
    «Owen», hauchte sie. «Endlich.»
    «Du hast gesagt, ich soll anrufen.»
    «Und du hast es nicht getan. Eine Woche lang ...!»
    «Ich hatte Angst.»
    «Warum? Es ist doch alles ganz natürlich, Owen. Es pas-
    siert andauernd. Es verletzt meine Gefühle, dass du nicht
    eher angerufen hast.» Ihr Alt hatte einen singenden, einlul-
    lenden Unterton, der ihm vorher nie aufgefallen war.
    «Es tut mir Leid. Wie gesagt, ich –»
    Während er überlegte, wie er es vermeiden konnte, sich
    zu wiederholen, sagte Faye: «Möc test du mich sehen?»
    h
    «Ja. Gott, natürlich.»
    «Kannst du nächsten Dienstag?»
    «Nächsten Dienstag! Warum nicht jetzt, jetzt, wo ich
    dich am Telefon habe? Bist du zu Hause?»
    «Ja, schon, aber es könnte jederzeit jemand vorbeikom-
    men.» Sie machte eine Pause, dann sprach sie mit hastiger
    Stimme, stellte Regeln auf: «Ich will, dass es passiert, aber
    nicht in meinem und Jocks Haus. Nicht beim ersten Mal.»
    «So? Es, wie du es nennst, braucht überhaupt nicht zu
    passieren. Ich möchte dich nur eine Minute im Arm hal-
    ten. Und dich sehen und mich überzeugen, dass es dich
    wirklich gibt.»
    «Ich weiß. Das sagen sie alle.»
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    «Wer?»
    «Männer. Spiel nicht den Naiven, Owen. Hör zu. Am
    nächsten Dienstag um zehn Uhr kommt ein Babysitter.
    Dann fahre ich zu meinem Psychiater in Hartford, und an-
    schließend gehe ich angeblich einkaufen, bei G. Fox und
    Sage Allen, und gucke dann, was im Wadsworth Atheneum
    läuft. Könntest du von Ed ein paar Stunden weg? Sag, dass
    du einen Zahnarzttermin hast. Wir machen ein Picknick.
    Ich weiß eine Stelle. Ich

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