Landy, Derek - Tanith Low - Die ruchlosen Sieben
den Speer. Sie riss ihm die Waffe aus der Hand, die ein Stück hinter ihr zu Boden fiel. Crab wich auf allen vieren zurück und kauerte sich hin. Tanith ließ ihren Mantel fallen, als sie mit wirbelndem Schwert auf ihn zuging.
„Ein Tag wie dafür geschaffen“, meinte sie.
Er wich auf den nassen Sand aus, der an seinen nackten Füßen leckte. An Taniths Stiefeln saugte er gieriger, und sie zog sich rasch wieder auf festeren Boden zurück, bevor sie ihren Vorteil verlor. Crabs Bart zuckte, und sie merkte, dass er lächelte. Sie kam nicht an ihn heran, ohne ihre Beweglichkeit aufzugeben, und der Speer lag zu weit hinter ihr. Es war ungewiss, ob sie ihn vor ihm erreichen konnte. Er war schneller, als er aussah, und leicht.
Langsam trat sie den Rückzug an. Er folgte, wobei er den Abstand kaum merklich verringerte. Als sie einen Blick nach hinten riskierte, um zu sehen, wo der Speer lag, griff Crab an. Mit seinen bloßen Füßen lief er über den Sand, als sei es eine Tartanbahn. Sie führte einen Hieb gegen ihn, doch er rollte sich darunter weg und riss sie von den Füßen. Sie stürzte, und er hockte sich auf ihren Rücken und schlang die Beine um ihre Taille, als sie sich aufzurichten versuchte. Er zog sie an den Haaren, riss ihren Kopf zurück und legte einen Arm um ihren Hals. Sie ließ das Schwert fallen und richtete sich schwankend auf, doch der alte Einsiedler hing wie eine Klette an ihr. Ihre Füße versanken im nassen Sand, sie stürzte erneut, und zusammen rollten sie ins seichte Wasser. Sie versuchte, den Würgegriff um ihren Hals zu lockern und gleichzeitig mit einer Drehung der Hüfte die Beinklammer zu lösen. Sie rollten in die Brandung, und für einen Moment geriet Tanith unter Wasser.
Sie stemmte sich hoch, und jetzt lag Crab auf dem Rücken. Mit ihrem ganzen Gewicht presste sie ihn in den Sand und versuchte, seinen Kopf unter Wasser zu drücken, aber ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Noch ein paar Sekunden in diesem Würgegriff, und sie würde das Bewusstsein verlieren.
Sie grub ihre Fingernägel in seinen Arm und zerrte ihn nach unten. Crab brachte ihn wieder in Position und würgte sie jetzt umso stärker. Doch Tanith hatte in diesem kurzen Moment Luft schnappen können, und ihr Kopf war wieder klar. Crab hatte immer noch die Beine um sie geschlungen und die Knöchel vorne überkreuzt. Sie hob einen Fuß, legte ihn auf seine Knöchel und drückte zu. Er zog vor Schmerzen scharf die Luft ein. Die nächste Welle überrollte sie. Das Wasser brannte in ihren Augen, aber die Klammer um ihre Taille löste sich.
Sie wälzte sich herum. Ihre Hände schlossen sich um Crabs Hals, während sie tief einatmete. Angst und Verzweiflung verliehen dem alten Mann ungeahnte Kräfte, er bäumte sich unter ihr auf und trat um sich. Sie versuchte, sich rittlings auf ihn zu setzen, doch er zog das linke Bein an, stellte den Fuß auf ihre Hüfte und wollte sie nach hinten schieben. Sie ignorierte seine Bemühungen und drückte ihn unter Wasser. Ihre Hände glichen einem Schraubstock, der sich schloss. Er wehrte sich immer weniger. Und dann gar nicht mehr.
Als er tot war, stieg Tanith aus dem Wasser und ging zurück zum Strand. Tropfnass hob sie zuerst ihr Schwert und ihren Mantel auf, dann den Speer. Sie zog ihr Handy heraus und wählte.
„Hast du ihn?“, fragte Sanguin.
„Nummer drei können wir abhaken“, antwortete sie. „Er hat sich allerdings heftiger gewehrt, als ich dachte. Ein zäher Brocken. Eine Hose wäre nicht schlecht gewesen.“
„Da frag ich jetzt gar nicht weiter nach.“
„Was ist mit Vex? Ist er schon aufgetaucht?“
„Er braucht noch ein paar Minuten. Das Begrüßungskomitee steht bereit, keine Bange. Wir treffen uns dann am Boot.“
Sie legte auf und ging, vorbei am Strandgras, den Trampelpfad hinauf zu dem Grat, auf dem sie ihr Motorrad abgestellt hatte. Dort oben parkte ein Wagen, der vorher nicht da gestanden hatte. Zwei Leute saßen darin, ein Mann und eine Frau. Beide mit durchgeschnittener Kehle. Tanith spähte durch das geschlossene Fenster und sah das Gewehr auf der Rückbank liegen. Ihr Schutzengel hatte wieder zugeschlagen.
Sie blickte sich nach allen Seiten um, lief dann zu ihrer Maschine und fuhr davon wie der Teufel.
NEUNZEHN
Vex schaute aus dem Fenster auf das ländliche Polen. Felder und Bäume zogen an ihm vorbei, dann sah er die Landebahn. Es war ein kleiner Flughafen, lediglich ein paar Schuppen und der Tower hinter einem Zaun. Sie näherten sich
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