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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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atmen?
    Wir wanderten und wanderten. Eine Stunde, zwei. Vielleicht mehr.
    Schließlich bedeutete sie mir, leise zu sein, meine Schritte im Laub zu dämpfen. Doch ich war kein Fallensteller oder Waldbewohner, woher sollte ich also die Fertigkeit erlangt haben, mich im knöchelhoch gefallenen Laub lautlos zu bewegen?
    Ich tat mein Bestes, auch wenn dies bedeutete, dass ich erheblich langsamer wurde als Maria. Sie schenkte dem keine Beachtung, sondern pirschte sich bis zum Rand einer Senke vor, an der sie innehielt und mir bedeutete, es ihr gleich zu tun.
    Wir nahmen unsere schweren Lodenmäntel ab und breiteten sie unter uns als Decken aus, sodass wir, ohne völlig zu durchnässen, über den Rand der Mulde spähen konnten.
    Ein Kreis aus Findlingen befand sich dort. Vielleicht zwanzig oder dreißig Meter von uns entfernt, am Tiefpunkt der Mulde. Vereinzelte Nebelfetzen waberten zwischen den Steinen umher.
    „Es müsste gleich beginnen“, flüsterte Maria mir in einer Art und Weise zu, die ich nie hätte nachahmen können. Ihre Stimme war so unsagbar leise, dass sie beinahe mit der Stille des Morgens zu verschwimmen schien, aber dennoch klar verständlich.
    Angestrengt spähte ich auf den Steinkreis unter uns. Natürlich war mir bewusst, dass Kreise aller Art immer schon Teil der verschiedensten okkulten Praktiken aller Völker der Welt gewesen waren. Aber es war immer wieder erstaunlich, zu welchen Überraschungen diese perfekte geometrische Form doch in der Lage war.
    Leises Flötenspiel ertönte, seine Herkunft war kaum zu lokalisieren. Eine ruhige, traurige Melodie schwebte über den brüchigen Nebelschwaden, die sich an den Findlingen festzuhalten schienen.
    Plötzlich erschien ein Kind in dem Kreis. Oder zumindest so etwas Ähnliches. Die kleine Gestalt schien aus Blättern und Wurzeln zu bestehen und erinnerte nur von ihrer Silhouette her an ein Kind. Weitere Kinder entstiegen dem Nebel.
    Als sie ungefähr zehn an der Zahl waren, ging die Melodie in eine lustige, verspielte Weise über – und die Kinder begannen zu tanzen. Wild und ausgelassen, wobei die Blätter unter ihren Füßen liegen blieben, als würden sie diese gar nicht berühren.
    Bald erschien auch der Spielmann und trat in ihre Mitte. Auch er schien aus Wurzelwerk und Blättern geformt zu sein. Links und rechts an seinem Kopf hingen Äste herab, die an eines Narren Kappe erinnerten. Eicheln baumelten daran wie Glöckchen.
    Um ihn herum tanzten die Kinder mal einen Reigen, mal wild und ohne gleichen Schritt.
    Die Szene mutete so bizarr an, dass ich mir die Augen reiben musste, um das Geschehen nicht bloß irgendeinem Schmutz in meinen Augen zuzuschreiben.
    Dann bemerkte ich, wie Maria nach ihrem Gewehr griff.
    Unwillkürlich legte ich meine Hand auf ihren Arm.
    „Was tust du da?“, flüsterte ich.
    „Das sind Geister, oder?“
    Verständnislos sah ich sie an, während sie fortfuhr: „Dann müssen wir sie beseitigen.“
    „Warum?“
    „Es sind Geister. Böse Wesen. Wie alles, das Unheil über uns bringt.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Das stimmt nicht.“
    „Nein? Was habt ihr dann bis vorgestern hier getan? Ihr jagt doch Geister und dergleichen.“
    „Wir jagen böse Geister“, gab ich zu bedenken. „Das, was den Menschen schadet. Was du da unten siehst, schadet niemandem!“
    „Woher willst du das wissen?“
    „Kommen nachts kleine Mooskinder in die Häuser Leyens und stehlen Säuglinge oder töten Vieh?“
    Maria blieb stumm.
    „Bringen sie die Bauern um ihre Ernten und schlitzen den höheren Bürgern die Kehle auf?“
    Weiterhin sagte Maria nichts. Aber ihr Blick war finster geworden vor Verbissenheit. Sie wollte Jagd machen auf diese Waldgeister, und zum ersten Mal blickte ich hinter ihre Fassade und sah, wie sich die eigene Verzweiflung oder Ohnmacht im Hass Raum zu machen versuchte.
    „Ich dachte, ihr seid gekommen, um solchem Treiben ein Ende zu bereiten“, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    „Nein“, sagte ich und versuchte, sanft zu klingen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren versuchte ich, sanft zu sein. „Wir dürfen nicht alles töten, was wir nicht verstehen. Dann sind wir nicht besser als die Inquisition.“
    „Was hat das mit der Kirche zu tun?“
    „Eine Menge. Die Inquisition macht Jagd auf alles, was die Menschen nicht verstehen. Ungeachtet dessen, ob es gut ist oder schlecht. Die Kräuterfrau, die das Fieber der Kranken lindert, wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil die Leute ihre Kunst nicht

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