Lange Finger - flinke Beine
bitten, noch einmal in die Hammerfort Street zu fahren und nach der Tür zu schauen. Gibson würde das tun. Merkwürdig, warum war er nur so nervös? Und warum störte.ihn heute das Autoradio? Er fuhr doch sonst nur mit Musik... Natürlich plagte ihn kein schlechtes Gewissen. Er hatte die Blacksche Münzsammlung ganz legal erworben. Natürlich war es ein gutes... nein, sogar ein sehr gutes Geschäft gewesen. Warum also sollte er ein schlechtes Gewissen haben? Eigenartig, daß Menschen, die geerbt hatten, in den meisten Fällen keinerlei Geschäftssinn bewiesen. Vor allen Dingen dann nicht, wenn die Erbmasse ausschließlich aus Wertgegenständen bestand. Das fehlende Bargeld trübte den Blick der Erben für die Realitäten. »Was ist das wert?« fragten sie dann, denn nichts konnte sie auf dem Weg zum Bargeld aufhalten.
Und im Blackschen Fall hatte Garner die Frage nach dem Wert mit einem Angebot umgangen. »Ich biete Ihnen in Anbetracht Ihrer besonderen Lage fünftausend Pfund. Bar, versteht sich. Kein Pfund mehr, aber auch keinen Penny weniger...« Die Gegenseite war eingeschüchtert und er wieder einmal Sieger geblieben. Daß die Münzsammlung in Wirklichkeit einen Wert von über fünfzigtausend Pfund ausmachte, nun, das wußte nur er allein...
19 Uhr 10 traf George Garner zu Hause ein, wo er von der Tatsache überrascht wurde, daß Eileen zwei Schulfreundinnen aus Edinburgh zu Gast hatte.
19 Uhr 25 rief er Earl Gibson an, 19 Uhr 55 kam dessen Rückruf mit dem Bescheid, daß alles verschlossen gewesen sei...
21 Uhr 15 brachen Annie Wynham und Roxana (Garner: »Wie kann man mit so einem Gesicht nur Roxana heißen!?«) Dyersfield auf. Während die beiden von Eileen zu ihrem Wagen im Hof begleitet wurden, schlug George Garner den Weg zum Gewächshaus ein. Ein Abend ohne einen Blick auf seine Orchideen wäre ein verlorener Abend gewesen...
Langsam, mit auf dem Rücken verschränkten Armen durchschritt er den Park. Am Blockhaus stutzte er. Irgend etwas schien ihm verändert. Er dachte nach. Ja, die Fensterläden waren vorgelegt. Das fehlende Reflektieren des Glases hatte ihn irritiert... Vielleicht war der Rahmen undicht, und Forrester wollte vermeiden, daß es hineinregnete. Er würde ihn fragen — morgen...
Der Kies des Weges knirschte unter seinen Schritten. Dann das Gewächshaus.
Das leise, unmelodiöse Kreischen der Tür löste in ihm immer wieder die gleichen Empfindungen aus. Eine Mischung von Zufriedenheit und Geborgenheit. Er genoß die Abgeschiedenheit von den anderen, als trenne ihn nicht nur eine dünne, gläserne Barriere, sondern dickes Mauerwerk. Er schaltete das Licht ein und atmete tief die Treibhausluft ein, jene Mischung aus Erde, Wasser, Wärme und blühender Vegetation.
Er kontrollierte den Feuchtigkeitswert und die Innentemperatur. In eine Plastikkanne ließ er zwei Liter Wasser einlaufen, von einem Regal nahm er ein kleines Fläschchen. »Eins... zwei... drei... vier... fünf... sechs...«, zählte er die in die Kanne herabfallenden Tropfen. Als er die Flasche zurückstellte, drang das ihm so vertraute Türgeräusch an seine Ohren. Er wendete sich um, und ein Ruck ging durch seinen Körper. Wie versteinert starrte er auf den bärtigen Mann im dunklen Cape und der ebenso dunklen Brille.
»Was... was soll das? Wie kommen Sie hier herein?« rief er zutiefst beunruhigt. Das Gefühl drohender Gefahr war so stark, daß es ihm den Hals zuschnürte.
Der Fremde kam langsam auf ihn zu. Vier Schritte vor ihm verhielt er den Schritt, seine Rechte kam unter dem Cape vor, sie umfaßte eine Pistole, deren Lauf genau auf Garners Bauch gerichtet war.
Die Kanne entglitt den Fingern des Münzhändlers, und er hob die Hände bis in Schulterhöhe.
»Ich habe kein Geld bei mir...«, keuchte er in Panik. »Ich habe nie Geld bei mir, wenn ich ins Gewächshaus gehe...«
»Die Angst steht dir gut, John Akeridge!«
Die Arme des Bedrohten sanken herab, während ihm das Entsetzen die Augen aus den Höhlen preßte.
»Nein... Ascot!« rief er röchelnd.
»Ja, Ascot!« erwiderte dieser eisig. »Ascot Murphy ist gekommen, John... Man hat mir ein Jahr erlassen. Daß ich noch lebe, verdanke ich dir, John! Danke! Denn ohne diesen Tag, diesen Augenblick des Wiedersehens wäre mir mein Leben sinnlos erschienen...«
Akeridge, alias George Garner, begann mit fast irren Blicken um sein Leben zu reden. Denn daß es um sein Leben ging, dessen war er sich sicher.
»Was... was willst du? Ich habe deinen Anteil verwaltet.
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