Lange Zähne
gefolgt
von einem hochgewachsenen Mann um die Sechzig mit silberner Drahtbügelbrille
und einem Laborkittel.
Cavuto sah auf. »Doc, ist dieser
Typ gar oder was?«
Der Arzt zog sich eine
Chirurgenmaske vor das Gesicht, als er sich der Leiche näherte. Er beugte sich
über Gilbert und las das Thermometer ab. »Er ist seit ungefähr fünf Stunden
tot. Ich schätze, Todeszeit zwischen ein Uhr und halb zwei. Ich kann es nicht
mit Sicherheit sagen, bis ich die Obduktion gemacht habe, aber so aus dem
Stegreif tippe ich auf Herzinfarkt.«
«Ich hasse diesen Kerl«, wiederholte Cavuto. Er sah auf
Jodys Namenschild, das auf dem Linoleum lag und dessen Umriß in Kreide
nachgezeichnet war. »Besteht die Chance, daß der Kerl die Rothaarige irgendwo
anders hin verlegt hat?«
Der Leichenbeschauer blickte hoch.
»Auf keinen Fall. Jemand hat die Leiche gestohlen.«
Rivera hatte sein Notizbuch
gezückt und schrieb, während der Arzt sprach. »Irgendwelche Neuigkeiten über die
Leiche, die gerade hereingekommen ist, den Cowboy?« »Gab es Blutverlust?«
»Auch das kann ich nicht mit
Sicherheit sagen, aber es sieht so aus, als wäre die Todesursache Genickbruch.
Es mag Blutverlust gegeben haben, aber nicht in dem Ausmaß wie bei den anderen.
Da er aufrecht gesessen hat, könnte es sich auch einfach am tiefsten Punkt des
Körpers gesammelt haben.«
»Was ist mit der Wunde am Hals?«
fragte Rivera.
»Welche Wunde?« sagte der Leichenbeschauer. »Da war keine
Wunde am Hals ; ich habe die Leiche selbst untersucht.«
Riveras Arme sackten schlaff
herunter, sein Kugelschreiber fiel klappernd zu Boden. »Doktor, könnten Sie das
noch mal überprüfen? Nick und ich haben beide deutliche punktförmige Wunden an
der rechten Seite des Halses gesehen.«
Der Arzt stand auf, ging zu der
Wand mit den Schubfächern und zog eines heraus. »Sehen Sie selbst nach.«
Cavuto und Rivera stellten sich zu
beiden Seiten der Lade auf. Rivera drehte Simons Kopf zur Seite und untersuchte
den Hals. Er sah zu Cavuto auf, der den Kopf schüttelte und wegging.
»Nick, du hast es doch auch
gesehen, stimmt's?« Cavuto nickte.
Rivera wandte sich zum Arzt. »Ich
habe die Wunden gesehen, Doc, das schwöre ich. Ich bin schon zu lange in diesem
Geschäft, um mich bei so was zu irren.«
Der Leichenbeschauer zuckte mit
den Achseln. »Wann haben Sie beide das letzte Mal geschlafen?«
»Zusammen, meinen Sie?« feixte
Cavuto.
Der Leichenbeschauer runzelte die
Stirn.
»Vielen Dank, Doc«, griff Rivera
ein. »Wir haben noch am Tatort zu tun. Wir kommen wieder. Laß uns gehen, Nick.«
Cavuto stand wieder neben Gilbert.
»Ich hasse diesen Kerl, und ich hasse diesen Cowboy in der Schublade. Habe ich
das schon gesagt?«
Rivera drehte sich auf dem Absatz
um und ging zur Tür, dann blieb er jedoch stehen und blickte zu Boden. Auf dem
Linoleum war deutlich ein Fußabdruck in brauner Soße zu sehen. Von einem
kleinen Fuß, dem nackten Fuß einer Frau.
Rivera wandte sich zum
Leichenbeschauer um. »Doc, arbeiten hier irgendwelche Frauen?«
»Hier unten nicht. Nur oben im
Büro.«
»Scheiße! Nick, komm mit, wir
müssen uns unterhalten.« Rivera stürmte durch die Tür, die hinter ihm auf und
zu schwang.
Cavuto eilte hinter ihm her. An
der Tür blieb er jedoch noch einmal stehen und wandte sich zum Leichenbeschauer
um. »Er hat schlechte Laune, Doc.«
Der Leichenbeschauer nickte.
»Sagen Sie der Presse nichts von
dem Blutverlust, wenn es welchen gibt. Und auch nichts von der verschwundenen
Leiche.«
»Natürlich nicht. Ich habe nicht
vor, an die große Glocke zu hängen, daß mein Institut Leichen verliert«, gab
der Leichenbeschauer zurück.
Rivera wartete im Flur, als Cavuto
durch die Tür kam. »Wir müssen den Jungen gehen lassen, das ist dir doch klar,
oder?«
»Wir können ihn noch weitere
vierundzwanzig Stunden festhalten.«
»Er hat es nicht getan.«
»Ja, aber er weiß was.«
»Vielleicht sollten wir ihn lieber
gehen lassen und beschatten.«
»Laß mich ihn mir noch einmal
vornehmen. Allein.«
»Geschenkt. Aber da gibt es noch
etwas anderes zu bedenken. Du hast diese punktförmigen Wunden am Hals des Cowboys
doch auch gesehen, oder?«
Cavuto kaute an seiner Zigarre und
blickte zur Decke. »Nun?«
Cavuto nickte.
»Dann hatten vielleicht auch die
anderen Wunden. Vielleicht hatten sie Wunden, die verschwanden. Und hast du den
Fußabdruck gesehen?«
»Ich habe ihn gesehen.«
»Nick, glaubst du an Vampire?«
Cavuto drehte sich um und ging den
Flur
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