Lange Zähne
Fenster zu dem stillgelegten Gefängnis hinüber. Der Nebel
kroch über die Bucht auf die Küste zu.
»Wie liegen wir in der Zeit?«
fragte Tommy.
Drew sah auf seine Uhr. »Uns
bleiben noch ungefähr zwei Stunden.«
»In Ordnung, dann wollen wir uns
mal das untere Deck ansehen.«
Als sie die Treppe herunterkamen,
erwartete Lash sie schon. »Nichts. Nur noch mehr Kunst und noch mehr
Elektronik. Es gibt keine Kombüse, und ich kann nicht herausfinden, wo die
Besatzung schläft.«
»Es gibt keine Besatzung«,
erklärte Tommy, während er die Treppe zum unteren Deck hinunterstieg. -Es wird
alles von Maschinen gesteuert.«
Der Boden des unteren Decks
bestand aus rautenförmigen Stahlplatten. Es gab keine Teppiche und kein Holz:
Rohre und Kabel verliefen um stählerne Schotten herum. Eine stählerne Druckluke
öffnete sich auf einen schmalen Gang. Von der Brücke fiel Licht herunter ; es reichte ein paar Schritte weit, dahinter war alles dunkel.
»Drew, hast du ein Feuerzeug?«
fragte Tommy.
«Immer doch«, erwiderte Drew und
reichte ihm ein Einwegfeuerzeug.
Tommy bückte sich und stieg durch
die Luke. Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, schnippte er das Feuerzeug
an.
»Dieser Gang muß zu den Maschinen
führen«, sagte Lash. »Aber er müßte eigentlich breiter sein.« Er klopfte gegen
die Stahlwände. Ein dumpfes Geräusch ertönte. »Ich denke, um uns herum hier ist
alles Benzin. Dieses Boot muß eine unglaubliche Reichweite haben.«
Tommy blickte auf das Feuerzeug,
dann wieder zu Lash, dessen schwarzes Gesicht nur von den hellen Reflexen der Flamme
beleuchtet wurde. »Benzin?«
»In sicheren Tanks.«
»Oh«, sagte Tommy. Er ging einige
Schritte weiter. Plötzlich stieß er mit dem Ellenbogen gegen den Metallring
einer Druckluke. »Autsch!«
»Mach sie auf«, sagte Drew.
Tommy reichte ihm die Schrotflinte
und das Feuerzeug und packte den schweren Metallring. Er setzte seine ganze
Kraft ein, aber der Ring rührte sich nicht. »Helft mir mal.«
Lash drängelte sich an Drew vorbei
und packte ebenfalls den Ring. Tommy und er stemmten sich mit ihrem ganzen
Gewicht darauf und drückten. Das Rad kreischte protestierend, dann löste es
sich. Tommy zog die Luke auf. Der Gestank von Urin und Fäulnis schlug ihm
entgegen.
»Mein Gott.« Er wandte sich
hustend ab. »Lash, gib mir mal das Feuerzeug.«
Lash reichte es ihm. Tommy streckte
die Hand durch die Luke und schnippte das Feuerzeug an. Direkt hinter der Luke
waren Gitterstäbe, dahinter lagen eine verrottete Matratze, ein paar leere
Konservendosen und ein Eimer. Rotbraune Flecken besudelten die grauen Wände,
einer in der Form eines Handabdrucks.
»Ist es der Unhold?« fragte der
Kaiser.
Tommy trat von der Luke weg und
reichte das Feuerzeug zurück. »Nein, es ist ein Käfig.«
Lash schaute hinein. »Eine Zelle?
Das kapier ich nicht.«
Tommy rutschte am Schott hinunter
und setzte sich auf den Stahlboden, während er nach Luft rang. »Du hast gesagt,
dieses Schiff hätte eine unglaubliche Reichweite. Könnte wahrscheinlich für
Monate auf See bleiben?«
»Ja«, erwiderte Lash.
»Dann muß er irgendwo seinen
Proviant aufbewahren.«
Im Innern der Gruft des Vampirs,
direkt über seinem Gesicht, liefen Informationen über einen Computermonitor ab.
Eine schematische Darstellung der Sanguine II nahm eine Hälfte des
Bildschirms ein, mit neun roten Punkten für die Vampirjäger und Lazarus. Grüne gepunktete
Linien markierten die Wege, die sie entlanggegangen waren, seit sie das Schiff
betreten hatten. Eine weitere Anzeige auf dem Bildschirm gab die Uhrzeit an, zu
der sie an Bord gekommen waren, und ein Fenster bot Außenansichten der Jacht:
das am Heck festgemachte Boot ; den Pier ; den Nebel, der
über das Saint-Francis-Clubhaus wallte. Radarbilder zeigten die umliegenden
Wasserfahrzeuge, die Küstenlinie, Alcatraz und die Golden-Gate-Bridge in der
Ferne. Optische Laufwerke zeichneten alle Informationen auf, damit der Vampir
sie abrufen konnte, sobald er aufwachte.
Bewegungsmelder hatten Barrys
Gegenwart an der Konsole der Brücke festgestellt und augenblicklich Schalter
aktiviert, die alle Kontrollfunktionen des Schiffes in die Gruft umleiteten.
Die Sanguine II war hellwach und erwartete ihren Herrn und Meister.
»Wie liegen wir in der Zeit,
Lash?« fragte Tommy. »Noch etwa eine Stunde.«
Sie hatten sich am Heck der Jacht
versammelt und schauten zu, wie der Nebel auf die Küste zukroch. Sie hatten das
gesamte Schiff durchsucht, anschließend
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