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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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betroffen drein und preßte sich mitfühlend die Hände ans
Herz.
    »Ist schon in Ordnung ; ich habe die Verstorbene nicht sonderlich gut gekannt.«
    »Ich verstehe«, sagte die
Verkäuferin.
    Jody senkte den Blick. »Seine
Frau«, erklärte sie.
    »Ich hole das Kleid«, sagte die
Verkäuferin. Sie drehte sich um und eilte davon.
    Tommy war erst einmal zur
Öffnungszeit im Safeway gewesen: an dem Tag, als er sich um die Stelle beworben
hatte. Nun schien ihm alles viel zu geschäftig und viel zu still, ohne das
Gebrüll von den Stones oder Pearl Jam aus den Lautsprechern. Er hatte irgendwie
das Gefühl, als wären Fremde in sein Reich eingedrungen. Er haßte die Kunden,
die das Werk der Tiere zunichte machten, indem sie Waren aus den Regalen
nahmen.
    Als er am Büro vorbeikam, nickte
er dem Filialleiter zu und ging weiter zum Pausenraum, um dort die Zeit
totzuschlagen, bis seine Schicht anfing. Der Pausenraum war ein fensterloses
Kabuff hinter der Fleischabteilung, ausgestattet mit Plastikstühlen, einem
Resopalklapptisch, einer Kaffeemaschine und einer Anzahl von Plakaten mit
Sicherheitswarnungen. Tommy wischte ein paar Krümel von einem Stuhl, fand einen
kaffeefleckigen Reader's Digest unter einer Packung alter Bärentatzen
und setzte sich hin, um zu lesen und zu schmollen.
    Er las: »Ein Bär hat Mom geholt! -
Drama bei unbeschwerter Urlaubsreise« und »Ich bin Joes Zwölffingerdarm« ; und er fing an, sich nach der Toilette und dem Mittleren Westen zu sehnen -
zwei Dinge, die er mit Reader's Digest assoziierte , als er auf einen
Artikel mit dem Titel: »Fledermäuse: Unsere verkannten beflügelten Freunde«
stieß. Er fühlte, wie sein Zwölffingerdarm vor Interesse bebte.
    Jemand kam in den Pausenraum, und
Tommy sagte, ohne aufzublicken: »Hast du gewußt, daß eine Fledermaus, wenn sie
sich von Menschen statt von Insekten ernähren würde, in einer einzigen Nacht
die ganze Einwohnerschaft von Minneapolis auffressen könnte?«
    »Nein, das wußte ich nicht«,
antwortete eine Frauenstimme.
    Tommy blickte von seiner Zeitschrift
auf und sah die neue Kassiererin, Mara, die sich gerade einen Stuhl unter dem
Tisch hervorzog. Sie war hochgewachsen und ein wenig dürr, aber mit großen
Brüsten: eine blauäugige Blondine von etwa zwanzig. Tommy hatte einen der
Packer erwartet, deshalb starrt er sie einen Moment lang an, während er die
Gangart wechselte. »Oh, hallo. Ich bin Tom Flood. Ich gehöre zur Nachtschicht.«
    »Ich habe Sie schon gesehen«,
sagte sie. »Ich bin Mara. Ich bin neu hier.«
    Tommy lächelte. »Freut mich, Sie
kennenzulernen. Ich bin heute etwas früher gekommen, um noch einigen Papierkram
zu erledigen.«
    »Reader's Digest?« Sie zog eine Augenbraue hoch.
    »Oh, das hier? Nein, für
gewöhnlich lese ich so was nicht. Ich hatte nur einen Artikel über Fledermäuse
entdeckt und beschlossen, in zu lesen. Sie sind unsere verkannten beflügelten
Freunde, wußten Sie das?« Er blickte auf die Seite, als wollte er sein
Interesse untermauern. »Wußten Sie zum Beispiel, daß die Vampir-Fledermaus das
einzige Säugetier ist, das man erfolgreich eingefroren und lebendig wieder
aufgetaut hat?«
    »Tut mir leid, Fledermäuse
erzeugen bei mir eine Gänsehaut.«
    »Bei mir auch«, sagte Tommy und
warf das Heft weg. »Lesen Sie?«
    »Ich habe die Beatautoren gelesen.
Ich bin gerade erst hierhergezogen, und ich möchte ein Gefühl für die Literatur
dieser Stadt bekommen.«
    »Sie nehmen mich auf den Arm. Ich
lebe auch erst seit ein paar Monaten hier. Es ist eine tolle Stadt.«
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit,
sie mir richtig anzusehen. Der Umzug und alles. Ich habe eine schlimme Zeit
durchgemacht und muß mich erst eingewöhnen.«
    Sie sah ihn beim Sprechen nicht
an. Tommy nahm zuerst an, sie täte es, weil sie ihn abstoßend fand, aber dann
erkannte er, daß sie nur schüchtern war.
    »Waren Sie schon in North Beach?
Dort haben in den Fünfzigern die ganzen Beatautoren gelebt.«
    »Nein, ich finde mich hier noch
nicht zurecht.«
    »Oh, Sie müssen unbedingt zu City
Lights Books gehen und zu Enrico's. Und die Bars in North Beach haben alle
Bilder von Kerouac und Ginsberg an den Wänden. Man glaubt fast, Jazzmusik zu
hören.«
    Endlich sah Mara ihn an und
lächelte. »Sie interessieren sich auch für die Beatautoren?“ Ihre Augen waren
groß, strahlend und kristallblau. Er mochte sie.
    »Ich bin Schriftsteller«, erklärte
Tommy. Nun war es an ihm, den Blick abzuwenden. »Ich meine, ich möchte
Schriftsteller

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