Langenscheidt Nachbar-Deutsch u Deutsch-Nachbar
alle zwei Jahre ein neues Auto, stattdessen ein Wohn- und Lebensraum, der sich nicht nur sehen lassen kann, sondern auch für bleibende Werte steht. Wenn die Rente schon nicht sicher ist, hat man im Alter wenigstens solide gemauerte Reserven. Gehobenes Mittelstandswohnen für Familien mit Kindern. Großzügig, ohne über die eigenen Verhältnisse zu leben. Das doppelte Einkommen sorgt für Sicherheit und finanzielle Freiräume. Innen wie außen: adrett, klar und funktional.
Hinweis: Gute Nachbarschaft ist hier leicht zu haben. Solange beide Seiten das nicht nur als Lippenbekenntnis sehen, sondern auch ein bisschen was dafür tun: Man passt aufeinander und die Häuser auf, hilft sich bei kleinen Besorgungen oder fährt die Kinder abwechselnd und reihum zum Sport. Und verzichtet auf Statusgequatsche sowie wechselseitiges Übertrumpfen am oder hinterm Gartenzaun. Denn wer hier nebeneinander wohnt, der tut dies häufig für lange Zeit. Also ist Fingerspitzengefühl im Umgang genauso wichtig wie Ehrlichkeit. Es lohnt sich.
Diese Familien wissen mit sich und der Welt etwas anzufangen und gönnen sich nette Add-ons wie etwa einen Gemüsegarten oder ein paar Obstbäume mit alten Fruchtsorten.
Ein bisschen Status schwappt dann und wann aber trotzdem nach draußen. Denn hinter hölzernen Sichtschutzzäunen mit gesetzeskonformer Maximalhöhe findet sich auf dem 800 bis 1.500 Quadratmeter großen Grundstück sowohl ein Aufsitzrasenmäher für den Hausherrn als auch ein großes Planschbecken oder ein kleiner Bolzplatz für die Kids. Innen ist alles gutbürgerlich und unverkrampft wohnlich: mit gemauertem Kamin, Klavierecke sowie Büchereinbauwand. Das Homeoffice ist kein Schrank, sondern ein richtiges Zimmer – inzwischen ja wieder steuerlich absetzbar – und die Küche kein Kochstudio, nur einfach eine große, schicke Küche. Mit den Markengeräten drin, die auch wirklich gebraucht werden, sieht man mal vom Salamander ab.
Solange hier keiner einen Höhenflug bekommt, es beim Geldverdienen nicht klemmt und keine Midlifecrisis-bedingten Partnerwechselambitionen entwickelt werden, läuft alles stressfrei. Auch in und mit der Nachbarschaft.
Wo wir sind, ist oben: Villa mit Pool und Tennisplatz
Nur kein Neid! So lautet die offizielle Sprachregelung, von der die Bewohner solcher Paläste allerdings oft wenig halten. Neid wird gern genommen, gilt er doch als gutes Zeichen, dass man es geschafft hat.
Ganz im Gegensatz zu denjenigen, die 200 Quadratmeter für vier Personen als den puren Luxus mit einer Menge unbewohntem Raum ansehen. Da sind die Bewohner dieser Wohnflächenbrummer natürlich anderer Ansicht: Zum Atmen, Essen, Schlafen und Wohnen benötigt man pro Person mindestens 150 Quadratmeter umbauten Raum und tausend Quadratmeter Grünfläche. Alles darunter ist beengtes Hausen – wie in einer Legebatterie.
Tipp: Das Einzige, was solche Nachbarn wirklich beeindruckt, ist, unbeeindruckt zu bleiben. Keine „Ahhhs“ und „Ohhhs“, sondern eine vorgelebte Normalität von Menschen, die auch mit deutlich weniger glücklich sind. Wer einfach nur freundlich ist, der findet hier häufig interessierte Gesprächspartner, die dann (kann ganz drollig sein) sogar versuchen, einen Gang runterzuschalten. Funktioniert das nicht, hilft ignorieren. Denn wer sich selbst darstellen will, gibt ohne interessiertes Publikum meist schnell Ruhe und kehrt zurück zu seinesgleichen: in die Welt der oberen Zehntausend.
Na ja, Hauptsache man fühlt sich wohl mit dem Erreichten! Und zum XXL-Wohlfühlen bieten solche Einhausdörfer reichlich Platz. Solange man sich nicht derart im Gewölbe verläuft, dass man kurz vor dem abgeschlossenen Vorratskeller (der mit der Trüffelreserve, den proteinhaltigen Kaviarbeständen und der geräucherten Gänsestopfleber) verhungert oder vor dem ebenfalls dreifach gesicherten Weinkeller verdurstet … Zwei Kilometer ungeklärter Rückweg zum Schlüsselschrank im Bodensafe des Dachgeschosses sind manchmal eben tödlich. Fünf-Sterne-Neidfaktor hin oder her.
Wo wir gerade beim Thema Neid sind: Richtig viel Geld geht bei diesen Wohnbunkeranlagen natürlich für deren Sicherung drauf. Die Alarmanlage inklusive Laserabtastung und Wärmebildkameras für das Innengelände sowie die fünf Meter hohe Außenmauer mit Erschütterungsmeldern ist schon mal teurer als das Gemälde von Daniel Richter in der Eingangshalle. Und auch der atombomben- und entführungssichere Panic-Room hat ein fettes Sümmchen gekostet – da
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