Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
tief verhüllt ist. Das Granteln des Bayern ist ein schönes Beispiel. Er würde es nie gegen positives Denken eintauschen wollen. Dazu macht es ihm viel zu viel Freude, an allem ein wenig herumzukritisieren. Melancholie, Sehnsucht und ein wenig Weltschmerz sind zum Beispiel Stimmungen, ohne die wir nicht leben möchten. Aber das ist es eben: »nie eintauschen wollen« oder »nicht ohne leben wollen«! Offensichtlich dienen auch solche Stimmungen auf verquere Weise dem Glück. Genauso, wie wir uns über manchen Sturm oder Schauer freuen und viele Menschen Sylt Sizilien vorziehen. Nur sollten wir bewusst entscheiden, was wir wollen vom Leben und was nicht. Und nicht fremdgesteuert oder aus Versehen in Einstellungen gleiten, die den Weg zum Glück verbauen.
Aus
Langenscheidts Leben
Können Nationen glücklich oder unglücklich sein? Wir Deutschen neigten in den letzten Jahrzehnten eindeutig zum Unglück. Zu Recht. Wir haben so enorme Schuld auf uns geladen und den Menschen von 1933 bis 1945 so viel Grausames angetan, dass es einfach lange dauern musste, all die Schuld und Scham wirklich anzunehmen. Auf dem World Happiness Ranking der United Nations landeten wir immer auf mittelmäßigen Plätzen – teilweise weit hinter Nationen, denen es objektiv und materiell sehr viel schlechter geht als uns. Das war aus anderen Gründen beschämend, weil wir offensichtlich nicht in der Lage waren, wahrzunehmen und zu schätzen, wie gut es uns geht.
Wir haben ein soziales Netz, das niemanden verhungern oder verdursten lässt auf den Straßen. Wir haben eine medizinische Versorgung, nach der sich fast alle Länder der Welt die Finger lecken. Wir haben eine innere Sicherheit, die trotz aller beklagenswerten Einzelfälle einzigartig ist in der Welt. Wir haben eine Infrastruktur vom Handy bis zur Autobahn, die ihresgleichen sucht in der Welt. Wir sind eine extrem stabile Demokratie, in der die Medien zu Recht aufschreien, wann immer auch nur der geringste Verstoß gegen Meinungs- oder Pressefreiheit droht. Wir sind in der Weltpolitik zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren für Frieden, Dialog und Stabilität geworden und haben uns zum Gegenteil einer kriegstreiberischen oder aggressiven Nation entwickelt. Wir haben die einzigartige Herausforderung der Wiedervereinigung friedlich und gewaltfrei bewältigt.
Ich könnte lange fortfahren – und es entsteht das Bild einer Nation, deren Angehörige allen Grund hätten, glücklich (und auch ein wenig stolz) zu sein. Und trotzdem war bei den Deutschen bis zum Jahr 2006 immer diese gewisse Unzufriedenheit spürbar, ein ewiges Lamentieren und Fokussieren auf alles Negative. Wir gingen immer ein wenig verschämt mit hängenden Schultern und zu Recht schuldbewusst durch die Welt. Und es ist bei Nationen nicht anders als bei Individuen: Man ist lieber mit Partnern zusammen, die selbstbewusst durchs Leben gehen und sich selbst – und daher auch andere – schätzen und mögen als mit welchen voller Selbstzweifel und Unsicherheit. Dementsprechend fielen die Beliebtheitswerte der Deutschen in der Welt aus …
Dann kam 2006. Am Anfang des Jahres stand die großartige Kampagne aller führenden deutschen Medienunternehmen: »Du bist Deutschland.« Sie wollte einen Beitrag leisten zum Ende der Larmoyanz und zum Start in ein neues Selbstbewusstsein. Jede und jeder von uns einundachtzig Millionen ist mitverantwortlich für das Glück oder Unglück unserer Nation. Wir sollten nicht immer auf Berlin starren, als käme das Heil oder Unheil von dort. Wir sind die Nation. Die Riesenkampagne zeigte enormen Erfolg: Mehr als elf Millionen Deutsche sahen sich in ihrer Folge stärker in der Verantwortung und hatten mehr das Gefühl, etwas bewirken zu können, wenn sie nur wollen.
Und Mitte des Jahres kam dann das Sommermärchen: die Weltmeisterschaft im Herrenfußball. Klinsmann mit seinem unerschütterlichen Optimismus führte die Männer zu einem allseits überraschenden und erfreulichen dritten Platz. Was aber viel wichtiger war: Plötzlich erlebten wir uns als weltoffene, lockere, freundliche und lässige Gastgeber. Die Welt zu Gast in Deutschland veränderte Innen- und Außensicht der Deutschen gleichermaßen. Gleichzeitig fanden wir zurück zu einem normalen und entspannten Umgang mit unseren Nationalsymbolen. Meine Söhne und ihre Freunde sangen mit Hand auf dem Herzen textsicher die deutsche Hymne am Anfang der deutschen Spiele; überall waren deutsche Wimpel auf den Autos zu sehen und
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