Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
Fahnentattoos auf den Wangen. Nichts Nationalistisches schwang da mit, sondern ein lockeres Selbstbewusstsein, das wir uns über die Jahrzehnte auch wieder verdient haben.
Als jemand, der sich so lange und so intensiv mit dem Glück der Menschen beschäftigt hat, war ich euphorisch und dankbar. Hatte der Sport doch vermocht, was die klügsten Marketingexperten nicht herzaubern konnten.
Doch 2007 krochen Selbstmitleid und Klagen wieder durch alle Fenster- und Türritzen ins öffentliche Bewusstsein. Ich war schockiert und überlegte, was ich als Publizist dagegen tun könnte. Einem Mann, der Langenscheidt heißt und dessen Familie sich seit über hundertfünfzig Jahren mit Wörterbüchern beschäftigt, möge man verzeihen, dass ihm in solchen Situationen Wörterbücher in den Sinn kommen. Ergebnis meines Denkens und Schreibens jedenfalls war das »Wörterbuch des Optimisten«. Es erschien im September 2008 – dem Monat des globalen Finanzcrashs. Als hätte ich es geplant …
Seitdem bin ich in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs und rede über Optimismus. Die Nachfrage ist groß: In Zeiten, in denen die Medien wegen gravierender wirtschaftlicher Probleme auch in allen anderen Lebensbereichen kaum mehr
Positives berichteten, wuchs offenbar eine Sehnsucht nach guten Nachrichten.
Möge Deutschland auf dem Weg bleiben, den es 2006 eingeschlagen hat. Es wäre beglückend für die Deutschen selbst, aber zugleich für alle, die mit ihnen zu tun haben. Schauen wir auf Untersuchungen zur Beliebtheit der Nationen der Welt seit 2006, zeigt sich deutlich, dass Deutschland plötzlich ganz nach oben aufgestiegen ist zu Ländern wie Norwegen, Finnland, Schweiz, England und Kanada. Glück ist eben Einstellungssache – auch bei Nationen.
AIR-BERLIN-GRÜNDER JOACHIM HUNOLD
… über das Glück
Wenn ich unzufrieden bin, liegt es an mir selbst. Dann muss ich es ändern. Ich hab mein Leben ja selbst in der Hand. Wer immer andere verantwortlich macht, macht sich unglücklich.
EX-NATIONALTORHÜTER JENS LEHMANN
ergänzt:
Glück ist, wenn alles passt.
Erwartungen – optimistisch oder pessimistisch?
BEGINNEN WIR GANZ EINFACH. Sie ziehen um. Das Sofa ist hochgeschleppt, die Zimmerpalme steht (und hat überlebt), auf dem Bett liegt schon das Bettzeug, das Buchregal ist wieder aufgebaut. Davor stehen zwölf unausgepackte Umzugskisten mit Büchern und im Schlafzimmer fünf hohe Kisten mit all den hängenden Kleidungsstücken. In der Küche stapeln sich Kisten mit Geschirr, Besteck, Töpfen, Pfannen, Gläsern.
Es ist 16 Uhr 30. Die beiden Umzugshelfer verabschieden sich. Jetzt kommt der wichtige Moment. Sie haben die Wahl.
Sie können unzufrieden angesichts all des nicht Ausgepackten in die Runde sehen und noch einmal loslegen. Eine Kiste nach der anderen gehen Sie an, sagt Ihr inneres Programm doch, alles müsse heute noch verräumt werden. Vielleicht schaffen Sie die Hälfte, bevor Sie nach dem anstrengenden Tag umfallen – aber werden Sie damit zufrieden sein? Sie haben Ihr selbst gestecktes Ziel ja nicht erreicht und überdies alles schlampig und lieblos in die Regale geschmissen, nur um fertig zu werden. Dabei haben Sie sicher Genussoptionen verschenkt, denn nimmt man sich die doppelte Zeit, wird manches von Pflicht zu Vergnügen. Man lächelt angesichts einer kitschigen Urlaubsreminiszenz, liest sich in Briefen fest, freut sich, dass eine Hose wieder passt, findet eine perfekte neue Systematik für seine Bücher und so weiter. All das werden Sie im Zweifelsfall nicht nachholen. Es stellte die Kette ganz besonderer und beseelter Momente dar, die es nie wieder geben wird. Sie haben sie sich selbst genommen durch die hochgesteckte Erwartung, alles müsse heute ausgepackt werden.
Die andere Wahlmöglichkeit hätte Ihnen all das geschilderte Glück geschenkt. Sie hätten sich zufrieden umgeschaut in der neuen Wohnung und erst mal tief durchgeatmet. Alles geschafft, alles drin. Dann hätten Sie vielleicht ein wenig die Atmosphäre der neuen Räume wahrgenommen und sich den ersten Espresso in der chaotischen Küche gemacht. Sie hätten sich gesagt, dass Sie sich einen kleinen Spaziergang verdient haben, und wären ein wenig in der neuen Umgebung herumgegondelt, hätten den Eismann um die Ecke kennengelernt und beim Zurückkommen ihren sympathischen Nachbarn. Um halb acht hätten Sie dann in der Küche eine Flasche Wein, ein Glas und einen Korkenzieher auf Anhieb aus der richtigen Kiste gefischt, hätten nach diesem
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