Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
Erfolgserlebnis gleich auch noch den iPod samt Abspielstation gefunden und Ludovico Einaudi gewählt. Und dann läge ein Abend vor Ihnen, an dem Sie genussvoll all das erlebt hätten, worauf Sie bei der ersten Wahl verzichtet hätten.
Zugegeben, Sie hätten an dem Abend höchstens ein Drittel der Kisten geschafft. Aber wen kümmert das schon? Der Zeitdruck und das innere Programm, nach dem wir handeln, sind zu einem Großteil selbst gemacht. Hat jemand von Ihnen verlangt, heute Abend mit allem fertig zu werden? Reicht das nächste Wochenende nicht auch?
Dies soll weiß Gott kein Plädoyer für Faulheit und gegen Ehrgeiz sein. Mal ist das eine richtig, mal das andere. Aber für einen bewussten Umgang mit eigenen Erwartungen will ich leidenschaftlich plädieren! Wir sind meistens selbst am Steuer und können entscheiden, welche Ziele wir uns setzen und mit welchen Erwartungen wir ans Leben herangehen. Im Job, in Notlagen und mit Kindern zum Beispiel ist man oft fremdbestimmt und hat keine Wahl. Aber daraus sollte nicht geschlossen werden, dass dem im Allgemeinen so ist.
Natürlich befriedigt es einen Hochspringer nicht, sich die Latte auf achtzig Zentimeter zu legen, da es langweilt, sie zu überspringen. Und genauso werden wir uns schnell einigen, dass es nicht sinnvoll ist, zwei Meter achtzig anzuvisieren, wenn kein Mensch je auch nur in die Nähe einer solchen Leistung gekommen ist. Aber zwischen eins zwanzig und zwei zwanzig ist – bildlich gesprochen – viel Platz für Sie und Ihren bewussten Umgang mit Erwartungen an sich selbst. Spielen Sie damit, beobachten Sie sich, lernen Sie von sich! Manchmal wird Sie nur extremer Ehrgeiz befriedigen und Sie werden achtmal springen, bis Sie es endlich schaffen, und manchmal werden Sie symbolisch gesehen Hängematte, Musik und ein Glas Wein bevorzugen. Horchen Sie in sich hinein und nehmen Sie ernst, was Sie da hören. Lassen Sie sich nicht zu sehr von anderen oder den Medien beeinflussen. Sie sind Herr Ihres Lebens und Ihres Glücks!
Das gilt für fast alle Lebensbereiche. Wenn Ihr Partner Mr Perfect sein muss und Sie alles andere nicht akzeptieren wollen, werden Sie Ihre Beziehung ruinieren, obwohl er vielleicht der Bestmögliche ist – nur eben mit ein paar Macken wie jeder von uns. Wenn Sie im Urlaub nur mit hundert Prozent Sonnenschein zufrieden sind, wird Sie das Wetter zwangsläufig enttäuschen. Wenn Sie beim Erlernen einer Sportart davon ausgehen, dass es immer nur nach oben geht, werden Sie vor Frust in manchen Schläger beißen.
Mit solchen Beispielen kann man die Position eines gepflegten und durchaus intelligenten Pessimismus unterstützen. Man hält den Ball grundsätzlich flach und lässt sich lieber positiv überraschen. Der populärste Glücksforscher an der Harvard University, Tal Ben-Shahar, etwa schreibt:
»Die unrealistische Erwartung eines permanenten Hochgefühls führt unweigerlich zu Enttäuschungen und Gefühlen der Unzulänglichkeit und damit zu negativen Emotionen. Um glücklich zu sein, muss man sich nicht ständig ekstatisch fühlen und auch nicht ununterbrochen positive Emotionen haben.«
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille, nur eine Seite unseres Umgangs mit uns selbst und der Zukunft. Wenn wir eine kleine Grippe haben, hilft es uns eindeutig mehr, optimistisch von einer schnellen Heilung auszugehen, als pessimistisch anzunehmen, es müsse Schweinegrippe sein. Wenn wir das Herz einer Frau erobern wollen, haben wir bessere Erfolgschancen, wenn wir an uns und unsere Wirkung auf sie glauben als wenn wir zweifeln. Wenn wir eine Bürgerinitiative erfolgreich durchsetzen wollen, müssen wir an die Möglichkeit des Gelingens glauben, sonst ist ihr Misserfolg vorprogrammiert.
In all diesen Beispielen ist der Optimismus mit seinen hochgesteckten Erwartungen sicherlich die Grundeinstellung mit dem größeren Glückspotenzial.
Sie merken, je mehr Ihre Initiative gefragt ist, desto wichtiger wird es für den Verlauf der Handlung selbst, ob Sie hohe Erwartungen an sich stellen oder nicht. Wenn es das Leben um Sie herum betrifft, dann ist es mehr eine Frage des Umgangs mit Enttäuschungen und Rückschlägen, die nicht in Ihrer Hand liegen.
Wer nichts von sich und anderen erwartet, wird auch nichts Großartiges leisten oder bewegen. Das ist so wahr wie der Satz, dass der Überehrgeizige oft in Frust und Enttäuschung endet.
»Die Hoffnungslosigkeit ist schon die vorweggenommene Niederlage«, schreibt Karl Jaspers. Und Primo Levi
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