Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
und Laptops lassen sich heute zum Glück einhändig steuern, Autos auch. Sogar Rennrad fährt Michael Beckel wieder (wenn seine Lieben dabei auch den Atem anhalten).
Beckel hat sich selbst ein Stück neu geboren. Und auf den ersten Blick unglaublich: Er sieht den Prozess heute im Rückblick als eine der anstrengendsten, aber auch glücklichsten Phasen seines Lebens.
XI
Macht Arbeit glücklich?
DIE GROSSEN LEBENSVERSICHERUNGEN BENUTZEN ausgeklügelte Tests zur Lebenserwartung, wenn sie große Verträge abschließen. Dabei wird alles, aber auch wirklich alles abgefragt. Natürlich das Übliche wie Alkoholkonsum, Rauchen, Sport, Bewegung, Gewicht oder erbliche Krankheiten in der Familie. Aber auch Grundeinstellungen und höchst Privates. Zum Beispiel: Haben Sie mal in der Nähe eines Atomkraftwerkes gelebt? Haben Sie – und wenn ja, wie lange – in der DDR gewohnt? Sind Sie geschieden? Gehen Sie mit Optimismus und Selbstbewusstsein an die Aufgaben des Lebens oder eher zaudernd und unsicher? Wie oft haben Sie Sex in der Woche? Wie zufrieden sind Sie damit?
So einen Test, der einige Stunden dauert, machte ich mal gleichzeitig mit vielen Freunden. Was uns alle verblüffte, war die extrem schlechte Lebenserwartung von zwei Männern, bei denen eigentlich alles rundlief im Leben. Wir änderten einige ihrer Angaben, um zu erfahren, woran es lag. Und schnell wurde klar: Schuld war die angegebene Arbeitszeit. Der eine ist Chefredakteur, der andere hat mehrere Restaurants. Jeder von ihnen arbeitet siebzig bis achtzig Stunden pro Woche.
Liebe Lebensversicherungen, das ist zu kurzsichtig gedacht. Ich würde beide Freunde sofort versichern, da ich weiß, dass die Arbeit ihnen unglaublich viel Freude bereitet. Sie könnten gar nicht anders und würden seelisch eingehen, hätten sie diese tägliche Herausforderung nicht. Wenn sie einmal ein paar Tage frei haben, neigen sie sogar dazu, krank zu werden. Ich glaube zutiefst, dass viel Arbeit mit Leidenschaft und Glück zu längerem Leben führt als wenig Routinearbeit in Langeweile und innerer Emigration.
Es wird ja manchmal über Menschen geschimpft, die ihre soziale Hängematte ausnutzen, sich darin gut eingerichtet haben und keinen Job annehmen. Das ist richtig. Richtiger aber ist meines Erachtens, dass jeder Mensch ohne Arbeit unser Mitleid verdient. Es fehlen ihm oder ihr nicht nur der strukturierte Tagesablauf, das soziale Umfeld, der Flirt mit den Kollegen, das Hinauskommen aus der Wohnung, die Herausforderung, die Anerkennung und vieles mehr, sondern schlicht und einfach ein Zentrum des Seins und des Glücks.
Es mag Menschen geben, die nur meditieren wollen oder auf der Bank vorm Haus sitzen. Es mag wahrscheinlich ein paar mehr geben, die allein auf einer Insel leben könnten. Die meisten von uns jedoch wollen etwas schaffen, wollen gestalten, wollen bei der Entstehung von Großem dabei sein und vielleicht sogar selbst eine Spur hinterlassen, die sie überleben wird. Sie wollen ein kleines oder großes Rad im Räderwerk der Welt sein und nicht wie ein Tier nur schlafen, fressen, trinken und sich fortpflanzen.
Die eine ist Kinderkrankenschwester und liebt es, den kleinen Kranken zu helfen, die andere beteiligt sich an nachhaltigen und umweltbewussten Unternehmen, um sie zu stärken. Der eine rettet als Unfallchirurg täglich Leben, der andere ist glücklich dabei, Firmen und Persönlichkeiten bei ihrer Kommunikation zu unterstützen. Die eine betreibt eine Bibliothek in einem sozialen Brennpunkt, wo sonst keiner an Bücher käme, die andere will den Ein-Euro-Schuh entwickeln, der Millionen und Abermillionen von Armen vor Parasiten schützt. Der eine will Malaria und AIDS ausrotten, der andere steuert verantwortungsvoll ein Kreuzschiff mit zweitausendachthundert Passagieren.
Jede und jeder ist anders, die Vielfalt ist atemberaubend. Deshalb finde ich es so traurig, dass Schulabgänger so wenig Einblick in all ihre Optionen haben und letztlich oft nur die Berufswelt der Eltern und ihrer Freunde gut kennen. Wie schön wäre es, wenn wöchentlich während der letzten beiden Klassen in irgendeinem großen Saal der Stadt ein engagierter Vertreter eines spannenden Berufes darüber berichten würde, was man dabei den ganzen Tag macht, welche Ausbildung und welche persönlichen Stärken man braucht, wie die Zukunftsaussichten sind und so weiter. Eine Stunde einem leidenschaftlichen Unternehmer, Schreiner, Anwalt, Verkäufer, Arzt, Lehrer, Politiker oder Gastronomen zuhören
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