Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
ein Wall des Widerwillens wird, der sich über Zuneigung und Leidenschaft schiebt wie ein Gletscher über Grönland.
Was ist wichtiger: Stolz oder Liebe?
Wollen Sie recht haben – oder einen schönen Tag?
Und vor allem: Meistens stellt sich ja heraus, dass jeder seine Sicht auf die Dinge und keiner wirklich recht hat. Wahrheit setzt sich aus unendlich vielen Sichtweisen zusammen. Und es gibt fast nie nur eine.
Noch etwas kommt dazu: Meistens weiß man zwei Tage nach einem schrecklichen Streit ja nicht einmal mehr, worum es ging. Was extrem bedeutsam schien und die ganze Beziehung infrage stellte, ist plötzlich weg. Wie ein Traum. Kann Nachtragen da die richtige Herangehensweise sein?
Wir sprechen hier die ganze Zeit über das unschuldig Schuldigwerden. Über Dinge, die man nicht gewollt hat. Die sich jederzeit im ruhigen Gespräch auflösen ließen. Und die letztlich den Hauptteil der »Schuld« des Menschen ausmachen.
Schwieriger wird es natürlich bei bewusst schuldhaftem Handeln. Wenn jemand betrügt, bestiehlt, veruntreut, belügt, erpresst, verletzt, vergewaltigt oder gar mordet.
Hier ist keine allgemeine Antwort dazu möglich, ob Verzeihen denkbar ist oder nicht. Ob Rache und Strafe das Richtige sind oder die ausgestreckte Hand. Ob Verurteilung angemessener ist oder Verständnis. Ob man besser zurückschlägt oder im christlichen Sinne gleich noch die andere Backe hinhält.
Das hängt sicher sehr vom Verhalten des Schuldigen ab. Bereut er überhaupt wirklich? Kommt die Entschuldigung aus tiefstem Herzen – jeder von uns spürt das an Sprache, Mimik, Gestik, Tränen –, oder ist sie nur ein Lippenbekenntnis? Wird er Ähnliches wieder tun? Wie oft hat er Unrechtes getan und in welcher Weise?
Das Englische unterscheidet zwischen to apologize und to excuse . Der erste Schritt ist, dass sich jemand entschuldigt (to apologize) , der zweite – davon unabhängig – der, ob jemand die Entschuldigung annimmt (to excuse) .
Noch komplexer wird es bei Staaten. Der Marshallplan, mit dem das schuldige Deutschland wieder aufgebaut wurde nach den Gräueltaten des Dritten Reiches, ist ein schönes Beispiel. Trotz sechs Millionen unschuldiger Toter war es möglich, wieder auf den Schuldigen zuzugehen und zu versuchen, ihn in die Gemeinschaft der Welt zurückzuholen. Ein Glücksfall von Politik, der dazu führte, dass Deutschland nun sogar das Land ist, das in Konfliktfällen am stärksten auf Dialog setzt und Gewalt zu vermeiden sucht. Und jede kleinste Tendenz zu Antisemitismus sofort verurteilt.
Gegenteiliges beobachtet die Welt oft mit Schrecken in Nahost. Eine Gewalttat führt zur nächsten, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Keiner von uns will gern ein Waschlappen sein und immer gleich alles verzeihen. Aber Glück kann auch nicht gedeihen in Spiralen der Gewalt.
Seit dem Paradies sind wir Menschen verstrickt in Schuld. Mal ohne Absicht, mal mit. Der Umgang damit ist entscheidend für unser Glück. Die katholische Kirche hat die Beichte und Buße. Jeder von uns muss seinen Weg finden. Patentrezepte gibt es nicht, doch wer weder verstehen noch verzeihen will, tut sich schwer mit dem Glück.
Aus
Langenscheidts Leben
Ich bin wie die meisten Jungs erzogen wurden. Die Fähigkeit, um Entschuldigung zu bitten, stand nicht im Vordergrund. Es ist mir daher über die Jahre immer schwergefallen, und ich neigte zu der Annahme, ich sei schon eher im Recht.
Das war – wie ich inzwischen weiß und oben begründe – weder gut noch richtig. Weder in der Familie noch bei Freunden noch in der Liebe.
Inzwischen bin ich klüger.
Die Tendenz zum Glauben, nur man selbst liege richtig, eint viele Männer. Man merkt es in Politik und Wirtschaft. Wann ist ein erfolgreicher Mann schon fähig, überzeugend zu sagen, er habe Mist gebaut und bitte um Verzeihung? Dabei ist es eigentlich so einfach – und sympathisch dazu. Denn jeder von uns macht Fehler, und wie schön ist es daher zu sehen, dass das auch den Besten passiert. Es entlastet, es entspannt und führt zu Vertrauen. Aber Männern wird es nicht beigebracht.
Ich habe einen großartigen Mann verzweifeln sehen, weil er lebenswichtige Freundschaften und Liebesbeziehungen ruinierte, da er nicht verzeihen konnte.
Ich habe Männer ihr Lebenswerk demontieren sehen, da sie nicht aus ihrer Haut und eine ausgestreckte Hand annehmen konnten.
Natürlich trifft diese Verallgemeinerung wie jede nicht durchgehend zu. Es gibt sicherlich auch Frauen, die nicht verzeihen können.
Also, ob
Weitere Kostenlose Bücher