Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
von uns übernehmen, einen Spiegel vor und lassen uns in ihnen weiterleben und die Zeit überwinden.
Sie lassen uns den Atem des Lebens hören.
Ihre Träume sind magisch, ihre Fantasien beflügelnd, ihre Geschichten von einer anderen Welt.
Ihr Lachen ist ansteckend.
Sie machen es uns leichter, sich mit Tod und Abschied zu beschäftigen, denn sie wird es länger geben.
Sie zeigen uns, dass alles vorübergeht.
Sie lieben uns aus der Tiefe ihrer kleinen Herzen und zeigen uns, wie das geht.
Sie treten in unser Leben und sind schon vorher das Wichtigste.
Sie ermöglichen uns einen frischen, dankbaren und liebevollen Blick auf unsere Eltern und alles, das sie für uns getan haben.
Sie zeigen uns, dass es Perfektion nicht gibt.
Sie verbauen uns effizient jeden Weg zur Pedanterie.
Sie schenken uns täglich den Moment der Erleichterung und Vorfreude, wenn sie nach langen Diskussionen und Liedern und Noch-mal-aufs-Klo-Müssen endlich im Bett liegen und man die Tür schließen kann.
Sie öffnen einem die Augen dafür, wie viel Lebendgewicht man trotz kleiner Rückenprobleme tragen kann.
Ihre ersten Worte, Buchstaben und Zahlen machen uns stolzer als unsere eigenen beruflichen Leistungen.
Ihre blauen Augen sind ein Fetzen Himmel.
Sie demonstrieren uns immer wieder, dass man mit viel weniger Schlaf überleben kann als gemeinhin angenommen.
Sie lassen uns bei allen Sorgen um die Zukunft spüren, dass letztlich die Gegenwart zählt.
Ihre Krankheiten und Unfälle führen uns zwar an die Grenzen der Angst, lassen uns aber am Bettchen über uns hinauswachsen mit Wadenwickeln, Pflastern und beruhigenden Worten.
Ihre Diskussionen um Gummibärchen und andere kleine Sünden lassen uns Logik in neuem Licht erscheinen.
Sie lassen uns spüren, dass das Unplanbare oft viel schöner ist als das beste Konzept.
Ihre Spontaneität überstrahlt Zeit- und Maßnahmenpläne.
Sie zeigen uns, dass auch eine Kellerassel schön sein kann, und lassen uns so neu über die Welt in all ihren kleinen Reizen staunen.
Sie lassen uns wieder »Warum?« fragen.
Und sie lassen uns miterleben, wie alles immer wieder neu beginnt. Unverstümmelt, naiv, wie eine ganz empfindliche Knospe.
Auf der anderen Seite gibt es wenig, das uns so unglücklich machen kann wie ein Kind. Krankheit, Behinderung, Verhaltensauffälligkeit, Renitenz, Entwicklungsprobleme, Schulversagen, Drogensucht, falsche Freunde – alles berührt uns existenziell und fast direkter, als wenn es um uns selbst ginge.
Vielleicht ist das die ausgleichende Gerechtigkeit für all jene, die so gerne Kinder hätten, denen das Schicksal aber keine schenkt. Wolf Schneider kommt in seinem erfrischenden Buch Glück jedenfalls zu dem Schluss, man könne nicht sagen, ob Kinder insgesamt mehr Glück oder Unglück ins Leben brächten. Er hat recht. Das bestätigt die gesamte Forschung. Das Leben mit Kindern ist nicht schöner, aber total anders.
Kinder reißen uns förmlich noch mal ins Leben mit allen Höhen und Tiefen. Kaum haben wir es mühevoll geschafft, unseres halbwegs zu beherrschen, werden wir mit einem neuen konfrontiert, in dem noch nichts funktioniert. Leben hoch drei.
Dazu passt der Satz aus Max Frischs Homo Faber : »Mit den Kindern geht das Leben.« Oft erst nachträglich merkt man, wie magisch schön die Momente mit den Kindern waren – ja selbst die durchwachten Nächte am Krankenbett, das Erbrechen im Auto oder das Windelnwechseln um vier Uhr nachts. Nichts, was wirklich zählt im Leben, ist umsonst.
Was können wir tun, um den uns anvertrauten Kindern alles mögliche Glück der Welt zu schenken?
Erst mal uns bewusst werden, dass es grob gesagt ein Drittel die Gene sind, ein Drittel Zufallsglück und nur ein Drittel unser Bemühen, was dafür verantwortlich zeichnet. Wir können unseren Beitrag also radikal unter-, aber auch überschätzen. In jedem Fall sollten wir tun, was wir nur können. Denn alles, was wir an Erziehung geben, kommt irgendwann an. Oft um Jahre verspätet, oft auf verschlungenen Umwegen, aber letztlich doch. Jeder Einsatz lohnt, jedes Gespräch hinterlässt etwas, wenngleich man oft genug das Gefühl hat, dass es in ein Ohr hinein und durchs andere hinausgeht.
Die Pädagogik ist darüber zerstritten, welcher Ansatz das kindliche Glück am ehesten befördert; das Pendel der Einschätzungen und Empfehlungen schwingt weit aus. Von der antiautoritären Erziehung am Ende des letzten Jahrhunderts bis zum »Lob der Disziplin« (Bernhard Bueb) und zur
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