Langenscheidts Handbuch zum Glück (German Edition)
keinen, der sich selbst, seinen Beruf und seinen Partner noch finden muss. Der nicht weiß, wohin er gehört. Ich helfe gerne bei diesem spannenden Prozess, bin aber ganz froh, ihn selbst hinter mir zu haben.
Beim »Aussehen« habe ich eine spannende Geschichte hinter mir. Als Kind wuschelten mir alle Erwachsenen durchs Haar und nannten mich Igel, weil meine Haare dazu reizten. Zur Konfirmation bekam ich allerdings einen Scheitel verpasst. Ohne genau zu wissen, was ein Buchhalter ist, ahnte ich, dass ich wie einer aussah.
Dann kam die Akne der Pubertät und schlug erbarmungslos zu. Ich litt wie ein Hund.
Dazu gesellten sich Astigmatismus und Kurzsichtigkeit, gegen die damals nur dicke Brillengläser halfen. Sie steckten in einem klobigen Gestell aus gelblichem Kunststoff.
Ich fand mich hässlich, hässlich, hässlich und versteckte mein Leiden darüber und auch meine Unsicherheit hinter einer intellektuellen Arroganz, die mich nicht gerade sympathisch machte. Nietzsche, Kant und Kafka statt Party, Musik und Knutschen.
Das dauerte lange und machte mich bei Mädchen zum Spätzünder. Sehr-spät-Zünder. Aber immerhin: Kurz vor dem Abitur bekam ich plötzlich Locken und fing an, meine Haare zu mögen. Die Akne ging weg. Nicht dass ich objektiv mit dem Solschenizynbart des Philosophiestudenten besser aussah, doch ich fühlte mich besser.
Seitdem ging es ein wenig aufwärts.
Heute bin ich mit meinem Äußeren versöhnt und erschrecke nicht mehr, wenn ich mich auf Fotos sehe. Diese Versöhnung war wichtig für mein Glück.
»Abwechslung« ist für mich von größter Bedeutung. Ich langweile mich schnell. Wenn ich etwas kann und mich darin sicher fühle, will ich es nicht ewig machen, sondern schnell Neues lernen. Meine berufliche Laufbahn (vgl. »Macht Arbeit glücklich?«) spricht diesbezüglich Bände. Nur das Thema Glück beschäftigt mich schon das ganze Leben lang …
Wenn Sie wieder mal am Leben verzweifeln, denken Sie an
… HEINRICH POPOW
Er ist gerade mal neun Jahre alt, als ihm wegen einer Krebserkrankung ein Bein abgenommen werden muss. Doch er beißt sich durch, wird ein charmanter und kluger Mann und vor allem ein Topsportler, der jahrelang die Weltspitze beherrscht. Bei den Paralympics 2004 in Athen erringt er Bronze im Hundert-Meter-Sprint, im Zweihundert-Meter-Sprint und im Weitsprung. Bei den Paralympics 2008 in Peking holt er Silber über die hundert Meter. Auf die Frage, ob er die Beinprothese abgeben würde, falls die Medizin ihm wieder ein richtiges Bein schenken könnte, antwortet er ohne Zögern: »Nein.« Die Prothese sei ein Teil von ihm geworden. Seinen Optimismus fasst Popow in einem einzigen Satz zusammen: »Nimm deine Herausforderung an!«
XXIII
Die dunkle Seite des Glücks
GLÜCK IST LEIDER UNGERECHT. EXTREM UNGERECHT.
Es gibt Situationen, da scheint einen das Schicksal unwiderruflich unter Wasser zu drücken. Die Sonne geht für immer unter. Und allen Nahestehenden schnürt es die Gurgel zu. Zungenkrebs, die Diagnose »Unheilbar!« für den Menschen, den man seit vierzig Jahren liebt, der Freitod eines Kindes, der Verlust der Liebsten durch Flugzeugabsturz – in bestimmten Momenten hilft kein Trost. Jeder, der über Glück schreibt und nur ein wenig Lebenserfahrung hat, weiß, dass vieles dann nicht anders als hohl oder zynisch klingen kann.
Trotzdem trifft all das bisher Geschriebene zu, da solch ausweglose Momente endgültiger Verzweiflung zwar leider zum Leben gehören, es aber zum Glück nicht ausmachen. Deshalb dürfen wir sie nicht verdrängen, ihnen aber auch keinen zu starken Einfluss auf unser Verhältnis zum Geschenk der bewussten Existenz, unserem Leben, einräumen.
Immer wieder – einige der Kurzporträts »Wenn Sie mal wieder am Leben verzweifeln, denken Sie an …« legen beredtes Zeugnis davon ab – überrascht uns in solchen Situationen das Schicksal durch eigenartige Volten, die dann doch ein Weiterleben in Würde und kleinem oder sogar großem Glück ermöglichen. An Wunder mag man nicht glauben, aber es gibt sie. Dann blitzt sie mit aller Macht auf, die Fähigkeit des Menschen zum Trotzdem und zum Jetzt-erst-recht. Jeder Jugendliche, der zum ersten Mal zu einer Beerdigung geht, ist überrascht und fast ein wenig schockiert darüber, wie schnell die tiefe Trauer in banale Gespräche und Lachen beim Leichenschmaus übergeht.
Wenn Licht und Luft schwinden, bleibt nichts als die dankbare Erinnerung an das Schöne und die Liebe. Leben ist ein Geschenk, von
Weitere Kostenlose Bücher