Langoliers
ausdruckslos aus dem Beifahrerfenster.
»Das zweite«, sagte er, »ist der wahre Grund, weshalb ich gekommen bin.«
»Und der wäre?« hörte Mort sich sagen. Es war seltsam und nicht wenig nervtötend, aber er spürte schon wieder, wie Schuldgefühle unablässig über ihn hinwegkrabbelten, als hätte er wirklich getan, was dieser irre Bauerntölpel ihm vorwarf.
»Wir reden darüber«, sagte Shooter und legte den Gang des alten Kombi ein. »Derweil denken Sie darüber nach, was recht und was fair ist.«
»Sie sind wahnsinnig!« rief Mort ihm nach, aber Shooter fuhr bereits den Lake Drive entlang, der zur Route 23 führte.
Er sah ihm nach, bis der Kombi nicht mehr zu sehen war, dann ging er langsam zum Haus zurück. Je näher er kam, desto einsamer schien es in ihm zu werden. Wut und Zorn waren aus ihm herausgebrannt. Er fühlte sich nur noch kalt, müde und krank nach einer Ehe, die nicht mehr war und – so kam es ihm jetzt vor – nie gewesen war.
11
Das Telefon fing an zu läuten, als er den halben Weg der Zufahrt zurückgelegt hatte, die den steilen Hügel vom Lake Drive zum Haus herunterführte. Mort fing an zu laufen; er wusste, dass er es nicht schaffen würde, lief aber trotzdem und verfluchte sich für seine alberne Reaktion. Wie ein Pawlowscher Hund!
Er hatte das Fliegengitter aufgezogen und mühte sich gerade mit dem Knauf der Tür ab, als das Telefon zu läuten aufhörte. Er trat ein, machte die Tür hinter sich zu und betrachtete das Telefon, das auf einem kleinen antiken Schreibtisch stand, den Amy auf einem Flohmarkt in Mechanic Falls gefunden hatte. Er konnte sich in diesem Augenblick problemlos vorstellen, wie ihn das Telefon mit einstudierter mechanischer Ungeduld anstarrte: Frag mich nicht, Boss – ich mache die Nachrichten nicht, ich übermittle sie nur. Er dachte, er sollte sich eine dieser Maschinen kaufen, die Nachrichten entgegennahmen … oder vielleicht doch nicht. Wenn er gründlich darüber nachdachte, kam er zum Ergebnis, dass das Telefon kaum sein Lieblingsgerät war. Wenn einem die Leute wirklich etwas zu sagen hatten, riefen sie wieder an.
Er machte sich ein Sandwich und einen Teller Suppe und stellte fest, dass er sie gar nicht wollte. Er fühlte sich einsam, unglücklich und gelinde von John Shooters Wahnsinn angesteckt. Es überraschte ihn kaum, dass die Summe dieser Gefühle Müdigkeit war. Er fing an, dem Sofa sehnsüchtige Blicke zuzuwerfen.
Okay, flüsterte eine innere Stimme. Vergiss aber nicht – du kannst weglaufen, aber du kannst dich nicht verstecken. Die Scheiße ist immer noch da, wenn du aufwachst.
Das stimmte nur zu sehr, dachte er, aber in der Zwischenzeit wäre sie fort, fort, barmherzigerweise fort. Man konnte immerhin etwas über kurzfristige Lösungen sagen, sie waren besser als nichts. Er beschloss, zu Hause anzurufen (sein Verstand beharrte darauf, das Haus in Derry als ›Zuhause‹ zu bezeichnen, und er vermutete, das war ein Umstand, der sich nicht so schnell ändern würde), Amy zu bitten, die Ausgabe von EQKM herauszusuchen, in der ›Zeit zu säen‹ abgedruckt war, und sie ihm per Expreßpost zu schicken. Dann würde er sich ein paar Stunden auf das Sofa hauen. Gegen sieben oder so würde er aufstehen, erfrischt ins Arbeitszimmer gehen und noch eine Weile Mist schreiben.
Und mit dieser Einstellung wirst du auch nur Mist schreiben, wies ihn die innere Stimme zurecht.
»Hol dich der Teufel«, sagte Mort zu ihr – ein Vorteil, wenn man allein lebte, war der, soweit er sehen konnte, dass man laut Selbstgespräche führen konnte und sich nicht fragen musste, ob einen jemand für verrückt hielt.
Er griff zum Telefon und wählte die Nummer von Derry. Er lauschte dem gewohnten Klicken, während das Ferngespräch zustande kam, und dann hörte er den nervtötendsten aller Telefonlaute: das Tut-tut-tut des Besetztzeichens. Amy telefonierte mit jemand, und wenn Amy wirklich gut drauf war, konnte so eine Unterhaltung stundenlang dauern. Möglicherweise tagelang.
»Scheiße, großartig!« schrie Mort und knallte den Hörer so fest auf die Gabel, dass die Glocke leise klingelte.
Also – kleiner Mann, was nun?
Er überlegte sich, dass er Isabelle Fortin, seine ehemalige Nachbarin in Derry, anrufen konnte, aber das schien ihm plötzlich zuviel Arbeit und außerdem zuviel Ärger zu sein. Isabelle war bereits zu tief in seine und Amys Scheidung verwickelt. Außerdem war es schon nach fünf Uhr. Das Magazin würde seine Reise auf dem Postweg von
Weitere Kostenlose Bücher