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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Derry nach Tashmore sowieso erst morgen früh beginnen, um wie viel Uhr es heute auch zur Post gebracht werden würde. Er würde es später am Abend noch einmal bei Amy versuchen, und wenn wieder besetzt war (oder Amy möglicherweise immer noch mit demselben Gespräch beschäftigt war), würde er doch Isabelle anrufen. Vorerst war der Sirenengesang des Sofas im Wohnzimmer so laut, dass er ihn nicht mehr überhören konnte.
    Mort zog den Telefonstecker heraus – wer immer versucht hatte, ihn anzurufen, als er gerade die Zufahrt herunterkam, würde sich eben noch eine Weile länger gedulden müssen, besten Dank – und schlenderte ins Wohnzimmer.
    Er schichtete die Kissen in ihre vertrauten Positionen, eines hinter den Kopf, eines unter den Hals, und sah zum See hinaus, wo die Sonne am Ende einer langen und spektakulären goldenen Spur unterging. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so einsam und schrecklich gefühlt, dachte er mit nicht geringem Erstaunen. Dann sanken die Lider langsam über seine leicht blutunterlaufenen Augen, und Mort Rainey, der noch herausfinden sollte, was schrecklich wirklich bedeutete, schlief ein.

 
12
     
    Er träumte, er wäre in einem Klassenzimmer.
    Es war ein bekanntes Klassenzimmer, obwohl er den Grund dafür nicht hätte sagen können. Er war mit John Shooter in dem Klassenzimmer. Shooter hielt eine Einkaufstüte in einer Armbeuge. Er holte eine Orange aus der Tüte und warf sie nachdenklich in die Höhe. Er sah in Morts Richtung, aber Mort nicht an – sein Blick schien auf etwas hinter Morts Schulter gerichtet zu sein. Mort drehte sich um und sah eine Rauputzwand und eine Tafel und eine Tür mit einer Ornamentglasscheibe in der oberen Hälfte. Nach einer Weile konnte er die spiegelverkehrte Schrift auf dem Ornamentglas entziffern.
     
    WILLKOMMEN IN DER SCHULE
    DER HARTEN LEKTIONEN
     
    stand dort. Die Schrift auf der Tafel war leichter zu lesen:
     
    ZEIT ZU SÄEN
    Eine Kurzgeschichte von Morton Rainey
     
    Plötzlich sauste etwas über Morts Schulter dahin und verfehlte seinen Kopf nur knapp. Die Orange. Während Mort zurückzuckte, prallte die Orange gegen die Tafel, platzte mit einem verfaulten Platschen auf und verspritzte Matsch über das, was dort geschrieben stand.
    Er drehte sich wieder zu Shooter um. Aufhören! schrie er mit zitternder, ungehaltener Stimme.
    Shooter griff wieder in die Tüte. Was ist denn l os? fragte Shooter mit seiner ruhigen, ernsten Stimme. Wissen Sie denn nicht, was Blutorangen sind? Was sind Sie denn für ein Schriftsteller?
    Er warf noch eine. Sie verspritzte scharlachroten Saft über Morts Namen und rutschte langsam an der Wand herunter.
    Nicht mehr! schrie Mort, aber Shooter griff langsam, unaufhaltsam wieder in die Tüte. Seine langen, schwieligen Finger bohrten sich in die Schale der Orange, die er herausgeholt hatte; Blut quoll als stecknadelkopfgroße Tröpfchen aus der Orangenschale.
    Nicht mehr! Nicht mehr! Bitte! Nicht mehr! Ich gebe es zu, ich gebe alles zu, alles, wenn Sie nur aufhören! Alles, wenn Sie nur aufhören! Wenn Sie …

 
13
     
    »… nur aufhören, wenn Sie nur aufhören!«
    Er stürzte.
    Mort packte den Rand des Sofas gerade noch rechtzeitig, um sich einen kurzen und wahrscheinlich schmerzhaften Fall auf den Wohnzimmerboden zu ersparen. Er rollte sich zur Lehne des Sofas und blieb einen Augenblick einfach liegen, umklammerte die Kissen, zitterte und versuchte, die zerfetzten Bruchstücke des Traums zu fangen.
    Etwas mit einem Klassenzimmer und Blutorangen und der Schule der harten Lektionen. Selbst das verflüchtigte sich, und der Rest war schon fort. Aber was es auch gewesen war, es war lebensecht gewesen. Viel zu lebensecht.
    Schließlich schlug er die Augen auf, aber es gab herzlich wenig zu sehen; er hatte bis lange nach Sonnenuntergang geschlafen. Er war schrecklich steif, besonders am Halsansatz, und er vermutete, dass er mindestens vier Stunden geschlafen hatte, wenn nicht fünf. Er tastete sich vorsichtig zum Lichtschalter des Wohnzimmers und schaffte es zur Abwechslung einmal, dem achteckigen gläsernen Kaffeetisch auszuweisen (er hatte die fixe Idee, dass der Kaffeetisch halb beweglich war und in der Dunkelheit manchmal seine Position veränderte, um ihn besser gegen die Schienbeine treten zu können), dann ging er in die Diele und versuchte es noch einmal bei Amy. Unterwegs sah er auf die Uhr. Es war Viertel nach zehn. Er hatte länger als fünf Stunden geschlafen … und das war nicht das erste Mal.

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