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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Herb – und danke.«
    »Gern geschehen. Ich versuche, dass ich es bis übermorgen schaffe. Dee lässt auch Grüße bestellen.«
    »Kann ich mir denken, wenn sie den Wein einschenken will«, sagte Mort, worauf sie beide lachend auflegten.
    Kaum hatte er das Telefon wieder auf seinen Tisch gestellt, kamen die Hirngespinste zurück. Shooter. Er sprach mit verstellten Stimmen. Selbstverständlich war Mort allein, und es war dunkel, ein Zustand, der Hirngespinste begünstigte. Dennoch glaubte er nicht – jedenfalls nicht im Kopf –, dass John Shooter entweder ein übernatürliches Wesen oder ein Superverbrecher war. Wäre er ersteres, wüsste er sicher, dass Morton Rainey kein Plagiat geschrieben hatte – jedenfalls nicht von der besagten Geschichte –, und wäre er letzteres, wäre er auf Achse, um eine Bank auszurauben oder so was, und würde nicht im westlichen Maine herumfurzen und versuchen, eine Kurzgeschichte einem Schriftsteller abzuringen, der mit seinen Romanen viel mehr Geld verdiente.
    Er ging langsam ins Wohnzimmer zurück; er wollte weiter ins Arbeitszimmer gehen und sein Glück am Textcomputer versuchen, als ihm ein Gedanke (jedenfalls nicht von der besagten Geschichte) kam und er unvermittelt stehen blieb.
    Was genau meinte er damit, nicht von der besagten Geschichte? Hatte er jemals die Arbeit von jemand anderem gestohlen?
    Zum ersten Mal, seit Shooter mit seinem Manuskript auf seiner Veranda aufgetaucht war, dachte Mort ernsthaft über diese Frage nach. Zahlreiche Rezensionen seiner Bücher hatten angedeutet, dass er kein besonders origineller Schriftsteller war, dass die meisten seiner Geschichten in gewisser Weise Nacherzählungen waren. Er erinnerte sich wieder, wie Amy einmal eine Besprechung von Der Sohn des Leierkastenmanns gelesen hatte, in der anfangs Tempo und Lesbarkeit des Buches gelobt worden und am Ende genau das behauptet worden war. Sie hatte gesagt: »Na und? Wissen diese Leute denn nicht, dass es nur etwa fünf wirklich gute Geschichten gibt und Schriftsteller sie einfach immer wieder mit verschiedenen Personen neu erzählen?«
    Mort selbst glaubte, dass es mindestens sechs Geschichten gab: Erfolg; Versagen; Liebe und Verlust; Rache; verwechselte Identität; die Suche nach einer höheren Macht, sei es nun Gott oder der Teufel. Die ersten vier hatte er immer wieder fast besessen erzählt, und wenn er genauer darüber nachdachte, enthielt ›Zeit zu säen‹ mindestens drei davon. Aber war das ein Plagiat? Wenn ja, dann war jeder Romancier auf der Welt dieses Verbrechens schuldig.
    Ein Plagiat, entschied er, war regelrechter Diebstahl. Und das hatte er nie im Leben getan. Niemals.
    »Niemals«, sagte er und ging mit erhobenem Kopf und aufgerissenen Augen ins Wohnzimmer – wie ein Krieger, der sich dem Schlachtfeld nähert. Und dort saß er die nächste Stunde und schrieb kein einziges Wort.

 
26
     
    Seine Dürreperiode am Textcomputer überzeugte ihn davon, dass es vielleicht besser wäre, das Abendessen zu trinken anstatt zu essen, und er war gerade bei seinem zweiten Bourbon, als das Telefon wieder läutete. Er näherte sich ihm zögernd und wünschte sich plötzlich, er hätte doch einen Anrufbeantworter. Die hatten wenigstens eine hervorstechende Eigenschaft: Man konnte Anrufe von draußen mithören und Freund von Feind trennen.
    Er stand unentschlossen davor und dachte darüber nach, wie sehr ihm der Laut moderner Telefone missfiel. Früher hatten sie einmal geläutet, sogar fröhlich geklingelt. Jetzt gaben sie schrille Heultöne von sich, die sich ganz wie bevorstehende Migränekopfschmerzen anhörten.
    Nun, wirst du abnehmen oder einfach herumstehen und zuhören, wie es heult?
    Ich will nicht wieder mit ihm sprechen. Er macht mir angst und bringt mich in Wut, und ich weiß nicht, welches Gefühl mir mehr missfällt.
    Vielleicht ist er es gar nicht.
    Vielleicht doch.
    Diesen beiden im Kreis herumgehenden Gedanken zu lauschen, war noch schlimmer, als sich das an- und abschwellende Düdel-di-dieep des Telefons anzuhören, daher nahm er ab und sagte griesgrämig hallo, aber es war niemand Gefährlicheres als sein Hausmeister Greg Carstairs.
    Greg stellte die inzwischen hinlänglich bekannten Fragen über das Haus; Mort beantwortete sie alle und überlegte sich dabei, dass so ein Ereignis zu erklären fast das gleiche war wie einen plötzlichen Todesfall zu erklären – wenn einen etwas über den Schock hinwegbrachte, war es die ständige Wiederholung der bekannten

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